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Wenn vernichten billiger ist Onlinehandel: «Drei Prozent der Retouren werden vernichtet»

Sebastian Heselhaus erklärt, warum es oft günstiger ist, eine retournierte Ware zu vernichten, als sie weiterzuverkaufen.

In Deutschland und in Frankreich gibt es Gesetze, die die Vernichtung neuer Waren im Onlinehandel verbieten wollen. Allerdings wird trotzdem noch viel Ware vernichtet. Eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft ist das nicht, wie Experte Heselhaus bestätigt.

Sebastian Heselhaus

Rechtsprofessor und Experte für Kreislaufwirtschaft an der Universität Luzern

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Prof. Dr. iur. Sebastian Heselhaus ist Ordinarius für Europarecht, Völkerrecht, Öffentliches Recht und Rechtsvergleichung an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern.

SRF News: Warum reichen Gesetze, die Verschwendung im Onlinehandel minimieren sollen, nicht aus?

Sebastian Heselhaus: Der Onlinehändler Amazon ist in die Schlagzeilen geraten, weil verdeckte Ermittlungen ans Licht brachten, dass mehr Ware vernichtet wird, als offiziell gesagt wird. Offizielle Daten gehen von rund drei Prozent der Retourwaren aus, die vernichtet werden. Die Begründung von Amazon und anderen ist die wirtschaftliche Logik.

Vernichtet wird nur das, was man nicht mehr wirtschaftlich verwerten kann, was man nicht mehr als Retourware mit einem Rabatt verkaufen kann oder nicht über koordinierte Händlern weitergeben kann oder auch als Restposten nicht mehr loswird.

Es ergibt aus wirtschaftlicher Perspektive Sinn, Waren zu vernichten? Können Sie das erklären?

Der Mensch als vernünftiges Wesen kann sagen, dass es unvernünftig ist, Waren zu vernichten, die man noch gebrauchen kann und für die man Ressourcen eingesetzt hat. Das ist unmittelbar einleuchtend, wenn wir das Ganze im weltweiten Massstab und mit der Ressourcenverschwendung betrachten.

Für den Einzelunternehmer kann es aber sein, dass die Kosten an Arbeitszeit, die er bei uns in der Schweiz oder in Deutschland aufwenden muss, um ein Produkt, das retourniert wird, neu zu reinigen, zu kontrollieren und wieder neu zu verpacken, bei unserem Lohnniveau teurer ist als das ganze Produkt wieder neu aus dem Herstellungsland zu bekommen.

Frankreich versucht nun gegen diese Geschäftspraktiken der Onlinehändler vorzugehen. Was wurde beschlossen?

In Frankreich hat man ein Verbot eingeführt, neuwertige Non-Food-Produkte zu vernichten. Es ist mit Sanktionen verbunden, dass man im Einzelfall bis zu 3000 Euro zahlen muss, als juristische Person bis zu 15'000 Euro. Für die Händler will man das Problem so lösen, dass man das Vernichtungsverbot an ein Andienungsgebot koppelt.

Andienung ist eine juristische Ausdrucksweise dafür, dass man das Produkt, das jetzt minderwertig ist, noch einmal einem anderen zu einem günstigeren Preis anbietet und eventuell auch für Hilfsbedürftige spendet. Das ist die französische Vorgabe. Die gewieften Juristen weisen aber darauf hin, dass der Dreh und Angelpunkt sein wird, was ein ist neuwertiges Non-Food-Produkt ist.

Wie ist es in Deutschland geregelt?

In Deutschland hat man im Kreislaufwirtschaftsgesetz zwei Paragrafen eingefügt, nach denen die Hersteller und der Käufer eine Obhutpflicht für Waren, die zurückkommen, hat. Obhutspflicht bedeutet, dass ich mich um die Ware kümmern muss. Im Grunde ist es wie in Frankreich, man sollte es jemand anderem günstiger oder zum Weiterverkauf anbieten oder als Spende weitergeben, aber möglichst eben nicht vernichten. Das Problem in Deutschland ist der Gesetzgeber: Das Parlament hat zwar dieses Gesetz gemacht, aber die Details nicht geregelt. Das sollte die Regierung machen. Und es sind zwei Jahre vergangen, und Deutschland hat eine Regelung, die auf dem Papier besteht, aber in der Praxis noch nicht umgesetzt werden kann.

Wie sieht es in der Schweiz aus?

In der Schweiz haben wir noch keine solche Regelung

Das Gespräch führte Adam Fehr.

SRF 4 News, 28.05.2021, 09:49 Uhr ; 

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