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Wie heiss wird der Lohnherbst? Gute Chancen auf mehr Lohn in der Industrie

Die Löhne dürften 2019 vor allem im Industriesektor auf breiter Front steigen. Zäher wird es in den Tieflohnbranchen.

Die Arbeitslosigkeit ist tief und viele Unternehmen haben schon länger volle Auftragsbücher. Die Wirtschaft im umliegenden Europa läuft gut für das Exportland Schweiz. Trotzdem stiegen die Löhne für viele nicht oder nur leicht, während der Alltag teurer wurde und der reale Lohn gar schrumpfte.

Für Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik beim Gewerkschaftsdachverband Travailsuisse, sind die Schuldigen rasch gefunden – die Arbeitgeber: «Sie sagen, es sei kein Geld vorhanden und treten unter Verweis auf die wirtschaftlich angespannte Lage und die Rahmenbedingungen auf die Lohnbremse.»

Der Frankenschock von 2015

Dieser Aussage widersprechen die Arbeitgeber nicht. Die Schuldigen seien sie allerdings nicht, wehrt sich Simon Wey, Chefökonom beim Arbeitgeberverband. Er erinnert an die schlagartige Aufwertung des Schweizer Frankens im Jahr 2015: «Während des Frankenschocks gingen die Margen aufgrund nicht angepasster Preise zurück. Dies führte zu einem Investitionsrückstau. Es muss zuerst wieder investiert werden», so Wey. Das geschehe jetzt in vielen exportorientierten Unternehmen.

Aber selbst in Branchen, die händeringend nach Spezialisten suchen – nach Ingenieuren oder Informatikern -, sind die Löhne nicht merklich gestiegen. Die Erklärung hierfür liegt bei der Personenfreizügigkeit mit der EU, die seit 2002 in der Schweiz gilt.

Seco: PFZ hat exzessive Lohnentwicklung gedämpft

Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit beim Staatssekretariat für Wirtschaft, hat heute die neusten Erkenntnisse vorgestellt: «Ein Schweizer Unternehmen kann zurzeit aus einem Arbeitsmarkt mit über 300 Millionen Erwerbstätigen rekrutieren. Das hat tatsächlich vielleicht exzessive Lohnanstiege gedämpft.»

Aber dadurch ist laut Zürcher die Lohnentwicklung auch stärker der Produktivitätsentwicklung gefolgt, was vorher gelegentlich nicht der Fall gewesen sei. Heute sei das anders und insgesamt besser für die Schweizer Wirtschaft, so Zürcher.

Gute Zeichen für Industrie auf breiter Front

Jetzt allerdings gibt es starke Anzeichen, dass der Wind dreht. Die Arbeitgeber signalisieren, dass sich die wirtschaftlich gute Lage positiv auf die Löhne auswirke. «Es wird dieses Jahr sicher mehr Branchen geben, die den Schock überwunden haben und wieder stärker auch die Arbeitnehmenden mit höheren Löhnen am Erfolg partizipieren zu lassen», so Wey.

Es wird dieses Jahr sicher mehr Branchen geben, die den Schock überwunden haben.
Autor: Simon Wey Chefökonom, Schweizerischer Arbeitgeberverband

Profitieren können laut Wey voraussichtlich neben den Finanzdienstleistern und Pharmaunternehmen auch die Angestellten der Industrie: «Wohl eher weniger gut wird es in der Gastronomie und im Handel gehen, der wegen der Online-Angebote unter Druck gerät.»

SGB: Auch Tieflohnbranchen brauchen mehr

Das Bekenntnis der Arbeitgeber zu höheren Löhnen sei grundsätzlich gut, wenn auch ein längst fälliger Schritt, meint Daniel Lampart, Chefökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB).

Kein Wunder geht es bei stagnierenden Löhnen dem Detailhandel schlechter.
Autor: Daniel Lampart Chefökonom, Schweizerischer Gewerkschaftsbund SGB

Aus seiner Sicht sollten zwingend auch die Angestellten in Tieflohnbranchen mehr erhalten. «Dienstleistungsbranchen mit tieferen Löhnen sind stark auf die Kaufkraft der Bevölkerung angewiesen. «Kein Wunder geht es bei stagnierenden Löhnen dem Detailhandel schlechter und die Coiffeure machen weniger Umsatz.» Mit welchen Forderungen die Gewerkschaften in die Lohnverhandlungen steigen, zeigt sich nach den Sommerferien.

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