Die europäischen Stromnetz-Betreiber wollen in den nächsten 15 Jahren 150 Milliarden Dollar in neue Übertragungsnetze investieren. Dabei geht es vor allem darum, neue Energiequellen besser anzuschliesen, zum Beispiel die Windanlagen im Norden oder die Solarkraftwerke im Süden. Auch soll der Stromhandel zwischen den einzelnen Staaten vereinfacht werden.
Neues Stromnetz: Gut für Europa
ABB-Chef Ulrich Spiesshofer sieht grosse Chancen darin, ein europäisches Stromnetz zu bauen, in dem alle Erzeugungsquellen von Strom berücksichtigt sind, und das Netz entsprechend abgestimmt ist: «Wenn wir das hinbekommen, können wir für Gesamteuropa die Wettbewerbsfähigkeit steigern und die Stromkosten herunterbringen.»
Ein Drittel der von den Netzbetreibern geplanten 150-Milliarden-Dollar-Investitionen in ein europäisches Stromnetz sollen in Stromkabel im Meer investiert werden. Genau in diesem Bereich ist ABB weltweit führend.
Grösste Investitionen in Deutschland
Bereits hat der Konzern Stromverbindungen in der Nordsee zwischen Norwegen und den Niederlanden verlegt. Zudem hat er vor ein paar Monaten erneut einen Auftrag im Wert von 800 Millionen Franken für den Bau einer Stromverbindung im Norden von Schottland erhalten. Die Stromleitung verbindet zwei Meeresbuchten miteinander.
Die grössten Investitionen sind für die Stromnetze in Deutschland geplant. Hier geht es um den Ausstieg aus der Atomenergie und die Nutzung erneuerbarer Energien.
Koordination lässt zu wünschen übrig
Dass es Investitionen ins europäische Stromnetz braucht, ist bei den Experten unbestritten. Allerdings planen die Staaten unkoordiniert. Claudia Kempfert, Energieexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, beklagt, dass jedes Land eigene Ziele definiert habe, in welche Richtung es sich bewegen wolle. So setze Grossbritannien auf Atomstrom, während Frankreich und Deutschland die Energiewende wollten. «Davon hängt es ab, wie gut – oder wie schlecht – man sich mit den europäischen Partnern vernetzt.»
Zwar sieht der Binnenmarkt in Europa einen raschen Ausbau der Netze vor, aber die Politik zögert. Nationale Interessen überwiegen und gemeinsame Standards fehlen. So wird der Ausbau für die Hersteller von Stromanlagen wie ABB zu einer Geduldsfrage. «Was wir in Europa brauchen, ist Klarheit; dann können wir die technologische Lösung auch bringen», sagt ABB-Chef Spiesshofer. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Ausrichtung eher national oder international sei. Für beides sei ABB gut aufgestellt.
Das Unternehmen konnte im vergangenen Jahr die Bestellungen aus Europa für Stromverbindungen und Anlagen bereits um 20 Prozent steigern. Ein weiterer Schub könnte folgen, wenn zumindest ein Teil der geplanten Projekte umgesetzt werden sollte.