Die superintelligenten Versicherungsfahnder sind nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Algorithmen. Sie arbeiten schnell, pingelig genau und stellen die menschlichen Fahnder in so manchen Bereichen in den Schatten. In wenigen Sekunden durchforsten sie Verträge, analysieren frühere Schadensfälle und tragen Informationen über den Versicherten zusammen. Am Ende bleibt eine Zahl, die besagt, wie hoch die Betrugs-Wahrscheinlichkeit ist.
Für Willy Käch, Leiter der Betrugsbekämpfungsabteilung der Allianz Suisse ist klar, dass man sich den neuen Gegebenheiten anpassen muss: «Wir kommen in eine neue Sphäre und müssen unsere Systeme an diese neue Welt anpassen.»
Betrügerische Facebook-Freunde?
In diese neue Welt will nicht nur die Allianz eintauchen. Auch andere grosse Versicherungen rüsten ihre Computer auf, um mit neuster Technologie den Betrügern das Handwerk zu legen. Noch – so beteuern die Versicherungen – greifen die Softwares nur auf interne Daten, mit denen die Sachbearbeiter schon heute arbeiten, zurück.
Aber die Systeme wären auch fähig, externe Daten einzubeziehen. Bei einem Autounfall könnten diese beispielsweise erkennen, ob der Geschädigte und der Unfallverursacher auf Facebook befreundet sind. Das allein ist zwar noch kein Verbrechen. Aber es liegt dann laut Software ein erhöhtes Betrugsrisiko vor. Denn die Erfahrung zeigt, dass sich immer wieder befreundete Personen bei Schadensfällen aushelfen. So werden Unfallhergänge konstruiert, um die maximale Versicherungsleistung beziehen zu können.
Profitable Betrugsbekämpfer
Superintelligente Anti-Betrüger-Software: Ein Trend, dem sich auch die Mobiliar nicht entziehen will. Sie implementiert nächstes Jahr eine neue Software. Kostenpunkt: 500'000 Franken. Dazu kommen Lizenzkosten von 150'000 Franken pro Jahr. Die Hoffnung ist, dass mit ihr noch mehr Betrüger entlarvt und so Millionen von Franken eingespart werden können. Schon heute – ohne diese Software – arbeite seine Betrugsbekämpfungsabteilung hoch profitabel, sagt Bruno Sommer: «Summa summarum kann ich sagen, dass wir der Mobiliar jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag einsparen.» Dank des neuen Computer-Programms könnte es noch viel mehr sein.
Der Datenschützer ist skeptisch
Einen Haken hat das Ganze: Weil diese Softwares viel mehr können als die Versicherten annehmen, sind sie aus Datenschutz-Sicht fragwürdig. Zudem arbeiten sie gänzlich unbemerkt von den Kunden – auch den ehrlichen. Zu dieser Rasterfahndung hat Datenschützer Hanspeter Thür eine klare Meinung: «Wenn eine Software eingesetzt wird, die auf Datenbestände wie beispielsweise Facebook zugreift, hat der Versicherer die Pflicht, Transparenz herzustellen und dem Kunden dies mitzuteilen.» Und das nicht versteckt in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern separat bei jedem Schadensfall.
Noch ist das Zukunftsmusik, die aber schon bald gespielt werden könnte. Samuel Klaus von der AXA erklärt, dass bei ihnen momentan noch keine solche Technologie im Einsatz sei, dass man aber die Möglichkeiten in diesem Bereich genau verfolge: «Wenn es sich anbietet und datenschutzrechtlich unbedenklich ist, werden wir diese Instrumente evaluieren und auch zum Einsatz bringen.»
Die Versicherungen wollen. Die Softwares können. Der Datenschützer blockiert. Im Moment werden die neuen Möglichkeiten der Betrugsbekämpfung offiziell nicht voll ausgeschöpft. Das wird wohl auch eine Weile so bleiben. Big Data und Datenschutz – ein Konflikt, der nun auch die Versicherungs-Branche erreicht hat.