An der Zapfsäule ist normales Benzin angegeben. Doch seit letztem Jahr tanken immer mehr Automobilisten in der Schweiz ein Gemisch von Benzin mit fünf Prozent Bioethanol. Auf die Beimischung setzen Migrol, Avia, Shell, Tamoil, Ruedi Rüssel und Agrola, wie eine Umfrage von «ECO» bei den Mineralöl-Unternehmen zeigt. Diese neue Praxis macht nur Shell transparent – und auch nur mit einer Liste der Tankstellen mit Bioethanol, versteckt auf der Website .
Die Beimischung von bis fünf Prozent Bioethanol ist zwar zulässig. Aber die Tatsache, dass die Unternehmen damit im Unwissen der Konsumenten Kosten sparen, hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Migrol-Chef Daniel Hofer macht keinen Hehl daraus, dass der Mix gut ist für das Geschäft: «Zum einen kann man damit den CO2-Ausstoss einsparen, zum anderen wird Biotreibstoff damit fiskalisch begünstigt, man kann damit auch massiv günstiger einkaufen.»
Der tiefe Ethanol-Preis hat mit der Mineralölsteuer-Befreiung zu tun. Von 72 Rappen pro Liter ist das Bioethanol befreit.
Weiterer rascher Anstieg von Biosprit-Volumen erwartet
Der Aufschwung von Bioethanol zeigt sich in der Erhebung der Zollverwaltung: Letztes Jahr wurden 28 Mio. Liter Bioethanol importiert, das ist mehr als das Dreifache des Vorjahres. Reto Stroh von der eidgenössischen Zollverwaltung sagt auf Anfrage: «Die Biotreibstoff-Mengen werden voraussichtlich im Jahr 2016 weiter rasch ansteigen.»
Für die steigende Nachfrage sorgen auch die Schweizer Klimapolitik und das CO2-Gesetz. Letzteres verlangt von den Treibstoff-Importeuren bis 2020 zehn Prozent der CO2-Emissionen, die sie im Verkehr verursachen, mit Klimaprojekten im Inland zu kompensieren. Das Bundesamt für Umwelt bewilligte, dass die Mineralöl-Uunternehmen für ihren Einsatz von importiertem Ethanol Emissions-Reduktionsbescheinigungen erhalten. Das heisst: Mit dem Ethanol können sie sich teure Einkäufe von Bescheinigungen sparen.
Den Ethanol-Boom ermöglich hat die Raffinerie Cressier NE vom Energie-Unternehmen Varo Energy, das unter anderem dem Rohstoff-Unternehmen Vitol gehört. Raffinerie-Chef Reinout Houttuin hat letztes Jahr 50 Millionen Franken in die Anlage investiert, unter anderem für den Bau des ersten grossen Ethanol-Tanks der Schweiz. Dieser Lager-Tank ist entscheidend für die Landesversorgung mit Ethanol – die Schweiz muss den Biotreibstoff importieren, weil seit 2008 kein Ethanol-Treibstoff im Inland hergestellt wird.
Ethanol als Gefahr für Nahrungsmittel-Produktion
Die Zollverwaltung bewilligt die Importe und die Steuerbefreiung nur, wenn das Ethanol aus Pflanzenabfällen besteht, die die Nahrungsmittelproduktion nicht konkurrenzieren. Problematisch ist dies vor allem in Ländern, wo Bauern beispielsweise mehr verdienen mit Mais für den Tank als mit Mais, der zur Nahrungsmittel-Produktion verwendet wird.
Eine Import-Bewilligung für Biosprit gilt für vier Jahre, Kontrollen sind schwierig. Migrol-Chef Daniel Hofer sowie Reinout Houttuin wissen nicht, was genau im Abfall-Ethanol verarbeitet wurde und woher die Abfälle kommen. Sehr genau weiss Houttuin allerdings, dass das Basismaterial aus Abfall international sehr gefragt ist und dass ein grosser Mangel besteht.
Kurt Egli vom Verkehrs-Club Schweiz (VCS) sieht Risiken, wenn in der Schweiz nun dem gesamten Treibstoff etwa fünf Prozent Biosprit beigemischt werden: «Dann reicht das Angebot aus Resten und Abfällen nicht. Da besteht eine gewisse Gefahr, dass man das aus Mais und Nahrungsmitteln macht, und das darf auf keinen Fall passieren.»