Wer nach Arbeitsende den gelben Abholzettel für ein Paket im Briefkasten findet, erlebt ein Wechselbad der Gefühle: Einerseits freut man sich, dass das lang ersehnte Paket eingetroffen ist. Gleichzeitig ärgert man sich darüber, dass man die Lieferung verpasst hat und am nächsten Tag zur Post laufen muss.
Nicht nur für Kunden ist diese Situation ärgerlich. Für die Post entstehen durch den Leerlauf Mehrkosten. Das Logistikunternehmen hat daher ein grosses Interesse, möglichst viele Sendungen im ersten Anlauf erfolgreich auszuliefern.
Seit längerem können Kunden darum über eine Webseite der Post Sendungen steuern und dem Pöstler Anweisungen geben, was er tun soll, wenn niemand zu Hause ist.
Direkt ins Auto liefern
Mit «In Car Delivery» kommt nun ein neuer Dienst hinzu, der das Problem entschärfen soll. Ab sofort liefert die Post Bestellungen des Online Händlers «Le Shop» direkt in den Kofferraum eines Autos – allerdings nur, wenn es irgendwo in Zürich, Bern, Genf oder Lausanne parkiert ist. Eine weitere Einschränkung: Nur Kunden, die über ein bestimmtes Modell von Volvo verfügen, können den Dienst beanspruchen.
Wer diese Anforderungen erfüllt, kann beim Online-Händler am Tag zuvor die Bestellung aufgeben und informieren, wo er sein Auto am kommenden Tag parkieren wird (auf 200 Meter genau).
Der Paket-Pöstler sucht dann das Auto mit Hilfe einer speziellen App. Die empfängt die Koordinaten des GPS, das im Wagen eingebaut ist. Hat er das Auto gefunden, öffnet er mit einem Code die Hecktüre und legt die bestellte Ware in den Kofferraum. Aus Sicherheitsgründen lässt sich das Auto mit dem Code nur einmal öffnen.
Gesucht: Alternativen zum Milchkasten
Die Zahl den Interessenten, die diesen Dienst beanspruchen können, ist stark eingeschränkt. Doch das könnte sich schon bald ändern. Weil Haushalte in vielen Ländern mit einem Briefkasten ohne den typisch Schweizerischen Milchkasten auskommen müssen, ist das Auto eine willkommene Alternative zur Heimlieferung, auch für kleine Pakete.
In Deutschland testen mit Daimler und Audi zwei Hersteller unabhängig voneinander das Potenzial des «In Car Delivery». Für sie hält sich der technische Aufwand dafür in Grenzen: Die wichtigsten Komponenten sind bereits eingebaut (GPS). Und gewisse Features wie der Code zum Öffnen der Tür lassen sich auch für andere Anwendungen nutzen, etwa für «Car Sharing», das Vermieten eines Autos auf privater Basis.
Alter Wein in digitalen Schläuchen
Für die Post ist das «In Car Delivery» nicht wirklich revolutionär. Auf Wunsch liefert das Logistikunternehmen seit längerem Sendungen an Geschäftskunden über Nacht direkt in einen Laden oder in einen Firmenwagen – Ersatzteile für eine Waschmaschine etwa legt der Pöstler nachts in den Service-Wagen. Um die Tür zu öffnen, benutzt er einen konventionellen Schlüssel.
Nun macht die Post das «In Car Delivery» auch privaten Kunden zugänglich und nutzt dabei das Potenzial der digitalen Technologien. Ein wichtige Grund: Kann das Logistikunternehmen nicht eine breite Palette von Nischenprodukten anbieten, so könnten Grosskunden abspringen. Aus dem gleichen Grund experimentiert die Post auch mit Lieferdrohnen und Paket-Robotern – ebenfalls Nischenprodukte.