Abseits der Hauptstrasse, in einem unscheinbaren Gässchen in den Pekinger Hutongs, den einstöckigen Steinbauten, hat das Start-Up-Unternehmen «Origins» seinen Sitz. Im Hofhaus mit roten Toren und geschwungenem Ziegeldach unterhält sich Liam Bates mit einem chinesischen Ingenieur über Materialbestellungen.
Der 28-jährige Waadtländer mit britischem Vater spricht perfekt Chinesisch. Er führt «Origins» zusammen mit einem chinesischen Business-Partner und seiner kanadischen Ehefrau. Ohne sie würde es das Unternehmen gar nicht geben: «Ich wollte sie davon überzeugen, nach China zu ziehen. Es war sehr hart für sie, denn als Kind hatte sie unter Asthma gelitten und war sich die saubere Luft von Vancouver und der Schweiz gewöhnt.»
Ein Luftreiniger für China
Aus diesem Grund begann sich Bates für Luftreiniger zu interessieren. Er stellte bald fest, dass die meisten Geräte für westliche Länder konzipiert waren. Sie passten nicht für China, wo nicht nur die Luftverschmutzung weit grösser ist, sondern auch die Wohnungen schlechter isoliert sind.
Bates entwickelte deshalb ein eigenes Gerät, dass die Luft schneller reinigt. Es war nichts Revolutionäres, sagt er und erklärt: «Wir haben ganz einfach bessere Materialien verwendet und mit dem Schweizer Hersteller verschiedene Filter ausprobiert, Filter die für China geeignet sind.» «Oxybox» heisst das weisse Gerät, das im Sitzungsraum von Bates surrt.
Zuerst die «Oxybox»...
Die Suche nach einem chinesischen Hersteller für die «Oxybox» gestaltete sich allerdings nicht einfach. Um überhaupt erstgenommen zu werden, gaben sich Bates und seine Mitstreiter als Vertreter eines grossen internationalen Konzerns aus. Weil sie aber damals in Jugendherbergen übernachteten, gaben sie den Fabrikbesitzern ein Fünf-Stern-Hotel als Aufenthaltsort an. «Wir warteten dann einfach in der Hilton-Lobby, wenn sie uns einen Wagen schickten.»
Bates, der Film und Sinologie studiert hatte, war in China während Jahren ein TV-Star. Er präsentierte unter anderem erfolgreiche Reisereportagen. Das technische Wissen über Luftreinigung eignete er sich erst mit der Arbeit an der «Oxybox» an. Auch heute ist er aber noch auf die Ingenieure in seinem Team angewiesen und sieht sich vor allem als Projektmanager: «Ich verstehe, was in den Geräten abläuft, aber wenn ich Berechnungen machen müsste, wäre das schwierig.»
...und dann das Ei
Nicht der Luftreiniger, sondern ein anderes Gerät ist aber zum erfolgreichsten Produkt von «Origins» geworden: das «Laser-Egg». Es ist ein kleines, weisses Luft-Messgerät. Mit nur zwei Tasten ist es leicht zu bedienen. Und vor allem kostet es mit umgerechnet 80 Franken nur einen Bruchteil von komplexen professionellen Geräten.
Das «Laser-Egg» ist über Wifi mit einer Datenwolke verbunden, in der die Luftwerte in verschiedenen Städten gesammelt werden. Damit erhält Bates Daten von zehntausenden verkauften Messgeräten, die die Firma für die eigene Forschung verwendet.
«Origins» verkauft seine Produkte auch ausserhalb Chinas. Das «Laser-Egg» ist besonders für Entwicklungsländer interessant. Exportiert wird unter anderem nach Indien, wo die Luftverschmutzung ebenfalls ein grosses Problem ist und es nur wenig Messgeräte gibt.
In Nepal verwendet die Regierung das «Laser-Egg» als offizielles Outdoor-Messgerät, berichtet Bates. Denn es sei viel günstiger ist herkömmliche Messstationen mit Preisen zwischen 50‘000 und 100.000 Dollar. Bates arbeitet bereits an weiteren Projekten. Geprüft wird derzeit, ob seine Messgeräte auch mit der Drohnen-Technik verbunden werden können.
Es ist ein bisschen wie bei Regenschirmen: Wenn es regnet, wollen alle einen.
Zurzeit bereitet sich das Unternehmen auf den Winter vor, wenn die Feinstaubwerte wieder ansteigen. Denn die Verkäufe ziehen an, sobald die Luftqualität abnimmt. Leider ist das nicht so genau vorhersehbar.
Von schlechter Luft ist an diesem Nachmittag unter der goldenen Herbstsonne in den Hutongs nichts zu spüren. Es ist einer der wenigen Tage des Jahres mit blauem Himmel in Peking. Das Display vom «Laser-Egg» zeigt eine Eins. Diese steht für Top-Luftqualität.