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Wirtschaft Die Arbeitslosigkeit ist weiblich

Frauen sind seltener arbeitslos als Männer. Den Schluss könnte man ziehen, wenn man die aktuellsten Arbeitslosenzahlen anschaut. Nur 40 Prozent der Stellensuchenden sind Frauen. Doch die Statistik sagt nur die halbe Wahrheit.

Frauen sind anders als Männer – das zeigt sich auch am Arbeitsmarkt. Ökonom Michael Siegenthaler vom Konjunkturforschungsinstitut der ETH in Zürich begründet das so: «Das eine ist, sie beteiligen sich weniger am Arbeitsmarkt. Sie arbeiten weniger und suchen auch weniger eine Stelle.» Frauen lassen sich deshalb auch seltener bei den regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) registrieren.

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«Frauen gehen nicht zum RAV, oder zumindest weniger als vergleichbare Männer», sagt Siegenthaler. Denn oft sind Frauen Zweitverdienerinnen und daher nicht so sehr auf das Gehalt angewiesen. Somit tauchen viele stellensuchende Frauen in der Statistik gar nicht auf.

Höheres Risiko für Arbeitslosigkeit

Aussagekräftiger als die Arbeitslosenzahl sei die Erwerbslosenquote, sagt der Arbeitsmarktforscher. Sie beruht auf Haushaltsumfragen des Bundesamtes für Statistik (BFS). Und da zeigt sich ein ganz anderes Bild: «Frauen haben ein höheres Arbeitslosigkeitsrisiko. Das liegt teilweise daran, dass sie oft in schlechteren Jobs arbeiten, und dass sie oft in instabilen, prekären Arbeitsverhältnissen sind. Da ist das Risiko, dass man entlassen wird, wenn es schlecht geht, grösser.»

Eine Aldi-Kassiererin legt etwas in einem Einkaufswagen.
Legende: Im Detailhandel arbeiten vor allem Frauen. Sie sind von Sparrunden in der Branche besonders betroffen. Keystone

Detailhandel grösster Arbeitgeber

Das hat auch mit Bildung zu tun, die bei Frauen im Schnitt immer noch schlechter ist als bei Männern.«Bessere Bildung ist ein grosser Schutz vor Arbeitslosigkeit. Weil die Frauen schlechter ausgebildet sind, sind sie weniger gut geschützt», so Siegenthaler.

Ein Beispiel dafür ist der Detailhandel, der grösste Arbeitgeber für Frauen in der Schweizer Privatwirtschaft. Von den rund 300'000 Stellen in der Branche sind rund zwei Drittel von Frauen besetzt.

Die Arbeitsbedingungen hätten sich im letzten Jahr deutlich verschlechtert, sagt Nathalie Imboden von der Gewerkschaft Unia. Allein im Verkauf sei die Arbeitslosigkeit im Februar im Jahresvergleich um 13 Prozent gestiegen. «Betroffen sind vor allem Frauen.»

Es dürfte noch schlimmer kommen: Vor Kurzem hat der Kleiderhändler Blackout sein persönliches Blackout angekündigt. 500 Stellen fallen weg, viele Frauen sind betroffen. Einen neuen Arbeitsplatz zu finden, sei für sie oft schwer, sagt Imboden.

Lichtblick für junge, besser ausgebildete Frauen

«Im Detailhandel hat die Zahl der Beschäftigten insgesamt abgenommen. Das heisst, im Moment sind weniger Stellen verfügbar.» Die Branche habe Mühe, so die Gewerkschafterin: «Für die Betroffenen ist es eindeutig schwieriger, wieder etwas zu finden.» Dies, zumal viele Detailhändler dazu übergingen, die Pensen der Teilzeitjobs aus Kostengründen zu reduzieren, wie sie ergänzt.

Das Beispiel Detailhandel zeigt, dass Frauen es am Arbeitsmarkt immer noch schwerer haben als Männer, auch wenn das auf den ersten Blick gar nicht auffällt. Aber das ändert sich langsam. Jüngere Frauen haben schon heute im Schnitt eine bessere Bildung als Männer. Damit wachsen ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt, und das Risiko, arbeitslos zu werden, sinkt. Ein kleiner Lichtblick für die Frauen.

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