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Arbeiter auf einer Kakao-Plantage
Legende: Die Elfenbeinküste ist der grösste Kakaoproduzent der Welt. Reuters

Wirtschaft Droht bald eine Schoggi-Krise?

Kakao ist so teuer wie lange nicht mehr: An den Rohwarenbörsen in New York und Chicago ist der Preis mit 3100 Dollar pro Tonne auf ein Drei-Jahres-Hoch gestiegen. Grund dafür ist die zu niedrige Produktion. Und immer mehr Kleinbauern in Westafrika und Indonesien haben genug von der Bohne.

Bald könnte eine Schokoladen-Krise die Welt erschüttern. Seit zwei Jahren nämlich produzieren die Kakao-Bauern weniger, als der Markt eigentlich bräuchte. Es zeichne sich ein bedeutender Engpass ab, sagt Raphael Wermuth, Sprecher des weltgrössten Schokoladenproduzenten Barry Callebaut mit Sitz in Zürich. «Unsere Industrie rechnet damit, dass im Jahr 2020 rund eine Million Tonnen Kakao fehlen wird.»

Eine Frau mit Kind trägt Sand, der auf Spuren von Gold untersucht werden soll.
Legende: Weil sich die Kakao-Produktion oft nicht mehr lohnt, suchen Kleinbauern nach Alternativen. Eine ist die Suche nach Gold. Reuters

Die Knappheit treibt die Preise nach oben. Trotzdem holzen immer mehr Kleinbauern ihre Kakao-Bäume ab. Friedel Hütz-Adams vom deutschen Entwicklungsinstitut Südwind weiss warum: «Kautschuk oder Palmöl ist für viele Bauern in Westafrika lukrativer. Diese suchen nach Krediten, um umzusteigen.»

Preisniveau trotz Hausse zu tief

Obwohl der Kakao an den Rohstoffbörsen auf einem Drei-Jahres-Hoch notiert, sei das immer noch viel zu wenig, um Millionen von Kakao-Bauern eine Existenz zu sichern – zumal bei vielen von ihnen die Preissteigerung gar nicht ankomme. «Das mag sich paradox anhören, aber die Kakaopreise sind im Moment niedrig. Seit 1850 gab es nur wenige Phasen, wo der Kakao günstiger war als heute.»

Die Preise sind nicht nur zu tief, sie schwanken auch stark. Das liege zum Teil an Spekulanten, aber auch an der ungleichen Machtverteilung am Kakaomarkt: Den fünfeinhalb Millionen Kakao-Klein-Bauern stünden nur eine Handvoll Grossunternehmen gegenüber, die den Kakao-Handel kontrollierten, sagt der Entwicklungsexperte Hütz-Adams.

Produktivität soll verdreifacht werden

«Wir haben sehr wenig Verhandlungsmacht bei den Bauern.» Der normale Kakaoproduzent gehöre keiner Kooperative an und könne sich daher gegenüber Preisschwankungen gar nicht absichern. Viele Kleinbauern trauen sich deshalb nicht zu investieren – oder können es schlichtweg nicht.

Die grössten Kakao-Produzenten

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Tonnen pro Jahr 2012

  1. Côte d'Ivoire: 1'486'000
  2. Ghana: 879 000
  3. Indonesien: 440 000
  4. Nigeria: 235 000
  5. Brasilien: 220 000
  6. Kamerun: 207 000
  7. Ecuador: 198 000
  8. Papua Neuguinea: 39 000

Vor allem in Ländern wie der Elfenbeinküste oder Ghana, wo mehr als die Hälfte des Kakaos produziert wird, sind die Baumbestände deshalb zu alt, die Plantagen zu klein und die Erträge zu gering, um Familien zu ernähren.

Unternehmen wie Barry Callebaut nehmen die Probleme am anderen Ende der Produktionskette durchaus wahr und schenken den Kleinbauern neue Kakao-Bäume und schicken sie in Agrar-Kurse – in der Hoffnung auf steigende Erträge.

Unternehmenssprecher Wermuth: «Wir sind überzeugt, dass man die niedrige Produktivität mit gezielter Unterstützung und Ausbildung der Bauern verdoppeln bis verdreifachen kann.»

Doch bisher haben solche Anstrengungen wenig gebracht. Kein Wunder, meint Entwicklungsexperte Hütz-Adams: «Wie soll sich das ein Bauer leisten können, wenn die Erträge erst Monate später fällig werden?»

Mindestpreis gegen Schwankungen

Um Abhilfe zu schaffen, haben die Regierungen der Elfenbeinküste und Ghanas vor kurzem wieder einen Mindestpreis für Kakao eingeführt. Auch Barry-Callebaut sei daran gebunden, sagt der Sprecher. Das wirke sich stabilisierend und motivierend aus.

Kann das die Lösung sein? Garantierte Mindestpreise – oder sogar Fairtrade-Preise – für alle? Nein, sagt der Entwicklungs-Experte: «Ist der Mindestpreis zu hoch, führt das zu Überproduktion. Ist er zu niedrig, schreibt man damit Armut fest.» Es brauche daher ein Gesamtpaket: aus fairen Preisen, besserer Ausbildung der Bauern, Abkehr von Kakao-Monokulturen, besserem Zugang zu Krediten.

Und das angeschoben durch eine konzertierte Aktion der Unternehmen. Es sieht so aus, als würde die Industrie mitziehen: Gerade haben sich zwölf Unternehmen zusammengetan und das Projekt «Cocoa-Action» gestartet, darunter auch Barry Callebaut und Nestlé. Aber schnelle Erfolge erwartet niemand. Und so könnte sich der gegenwärtige Kakao-Engpass sehr wohl zu einer veritablen Schokoladen-Krise auswachsen.

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