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Wirtschaft EU legt Ratingagenturen Zügel an

Ein schwarzer Tag für Standard & Poor's, Moody's und Fitch Ratings: Die Agenturen sollen künftig für Fehler haften und Noten vorher ankündigen. Eine europäische, unabhängige Agentur wird es aber nicht geben.

Eine Kurve auf einem Diagramm führt nach unten
Legende: Gerüchte um die Abwertung Frankreichs im Januar 2012 liessen den Wert des Euros im Vergleich zum Dollar sinken. keystone/archiv

In der Politik gelten sie als «böse Buben» der Euro-Krise: Die Ratingagenturen. Mit ihren Länderbewertungen zu fragwürdigen Zeitpunkten sollen sie die Krise angeheizt haben, lautet der happige Vorwurf der EU.

Die Agenturen hätten die milliardenschweren Hilfspakete der Euro-Länder für Griechenland, Irland oder Portugal torpediert. Schuld seien ihre «kurzfristigen und teilweise wahllosen Herabsenkungen» der Bonität von Krisenstaaten. Dadurch hätten diese Staaten mehr Zinsen zahlen müssen, um sich frisches Geld an den Märkten zu beschaffen – wofür sie sich noch höher verschulden mussten.

Ratingagenturen

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Ratingagenturen bewerten, ob ein Unternehmen oder ein Staat geliehenes Geld pünktlich und vollständig zurückzahlen kann. Davon hängt die Bonität des Schuldners ab. Viele Finanzakteure richten sich danach: So dürfen Fonds und Versicherer oft nur Anleihen mit einem bestimmten Rating halten. Die Noten reichen von «Dreifach A» bis «C» oder «D».

Auch sollen sie in der Bankenkrise 2008 Bewertungen erstellt haben, die im Interesse der Finanzinstitute waren.

Damit soll nun Schluss sein: Mit neuen Regeln will die EU die Macht der Bonitätswächter brechen. Die Vorgaben sollen schon vom Frühjahr an europaweit gelten. Damit will die EU verhindern, dass sich Anleger bei Aktien und Staatsanleihen automatisch auf Ratings stützen.

Zudem werden ihre Ratings für Staaten eingeschränkt: Diese werden nur noch an drei vorher festgelegten Terminen im Jahr erlaubt. Länderratings dürfen keine Weisungen für die nationale Politik enthalten. Damit können die Ratingagenturen nicht mehr in die politische Agenda eingreifen.

 

Auch sollen die Ratingagenturen bei Fehlentscheiden haften: Erstmals können Anleger und Investoren, aber auch Emittenten bei Verlusten die Ratingagenturen zivilrechtlich auf Schadenersatz verklagen. Und zwar dann, wenn eine Agentur EU-Regeln vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt und Fehlurteile abgibt. Gründe wären etwa Marktmanipulation oder Missbrauch von Insiderinformationen.

Das Projekt einer europäischen, unabhängigen Ratingagentur wurde von der EU auf die lange Bank geschoben. Es gilt als zu teuer, zu langwierig und wenig glaubwürdig.

SRF-Wirtschaftsredaktor Thomas Oberer glaubt, dass die Ratingagenturen durch diese Massnahmen nur zu einem kleinen Teil gebändigt werden können. «Die Hauptauflagen beziehen sich auf die Bewertung von Ländern», sagt Oberer. «Dieses Geschäft macht aber nur einen kleinen Teil des Geschäftes der Ratingagenturen aus, und sie verdienen damit auch kaum Geld. Die Bewertung von Unternehmen hingegen ist lukrativ, und da liegt der Hauptanteil des Geschäftes der Ratingagenturen. Dieser Bereich bleibt mehr oder weniger unangetastet.»

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