Ziemlich genau vor einem Jahr, am 26. Juli 2012, sprach der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) die magischen Worte: «Die EZB wird alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir – es wird ausreichen.».
Heute ist der Zusammenbruch der Eurozone kein Thema mehr, obwohl die EZB ihr Rettungsprogramm noch nicht einmal aktivieren musste. Dennoch bleibt Mario Draghis Kurs umstritten. Die Kritiker von «Super-Mario», wie die Finanzmärkte ihren Helden nennen, sind vor allem in Deutschland nicht verstummt.
Staatsanleihekaufprogramm «mitgestalten»
Nun haben sich über 100 renommierte Ökonomen per Unterschrift hinter den Kurs Draghis gestellt. Darunter sind der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher und die ehemalige Wirtschaftsweise Beatrice Weder di Mauro.
Mit ihrer Unterstützungskampagne wollen sie nach eigenen Worten die Debatte über das Staatsanleihekaufprogramm «mitgestalten», wie Oliver Stock, Chefredaktor «Handelsblatt Online», gegenüber SRF erklärt. Die Experten folgten damit auch einem Aufruf des deutschen Bundesverfassungsgerichts, das vor zwei Monaten eine intensive öffentliche Debatte über den Staatsanleihekauf angemahnt hatte.
Namhafte Ökonomen stellen sich jetzt also mit Überzeugung hinter die höchst erfolgreiche Ankündigung Draghis, die einen Bankensturm verhindert und die Kapitalkosten der Süd-Länder der EU massiv verringert hatte. Sie weisen zugleich darauf hin, dass bisher noch kein Euro für ein Anleihen-Kaufprogramm geflossen sei.
Kritik: Nachlassender Reformdruck und Inflationsgefahr
Ungeachtet dessen gibt es auch viele renommierte Ökonomen unter den Kritikern des Draghi-Kurses. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann etwa spricht von einem Rechtsbruch. Er ist mit anderen der Auffassung, dass solche Riesen-Anleihekaufprogramme ohne vorherige Befragung der Parlamente gar nicht angekündigt werden dürfen.
Die Gegner von Draghis Plänen kritisieren zugleich, dass der Reformdruck in den Schuldenländern deutlich nachgelassen habe. Ebenso weisen sie auf eine latente Inflationsgefahr hin und warnen vor einer Schwächung des Euro gegenüber dem Dollar durch das EZB-Gelddruck-Programm. Dafür gebe es allerdings bisher keine Belege, sagt Stock.
Festhalten an Niedrigzinspolitik wahrscheinlich
«Handelsblatt Online»-Chefredaktor Stock geht davon aus, dass sich der Druck auf die hochverschuldeten Länder vorderhand nicht erhöhen wird. Draghi müsse halt weiterhin zeigen, dass er seine Versprechen halten könne. Als Herr über die Notenpresse habe er die Mittel dazu. «Er kann theoretisch unbegrenzt Geld drucken und damit Staatsanleihen direkt kaufen», sagt Stock.
Draghi macht es im Grunde genommen der US-Zentralbank gleich, die mit ähnlichen Programmen immer wieder Bundesstaaten zugunsten der Konjunkturbelebung unterstützt. Nach Einschätzung von Stock wird die EZB an der Sitzung diese Woche keinen Zinsanstieg verkünden. Dazu sei die Lage in den südlichen Ländern momentan einfach noch zu kritisch. Die Politik des billigen Geldes werde unter diesen Umständen in Europa wohl noch länger anhalten als in den USA.