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Wirtschaft «Evergreening» lässt Pharma-Kassen klingeln

Mit geringfügig veränderten Formulierungen von Originalmedikamenten verlängert die Pharmaindustrie den Patentschutz ihrer Produkte. Für den Kanton Genf haben Wissenschaftler nun berechnet, dass dieses so genannte «Evergreening» dem Gesundheitssystem zusätzliche Kosten in Millionenhöhe beschert.

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Die Pharmaindustrie verdient munter weiter.
aus SRF 4 News aktuell vom 05.06.2013.
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Das «Evergreening» hat den Pharmafirmen im Kanton Genf dabei geholfen, ihren Marktanteil zu halten und der Konkurrenz durch Generika – also günstige Nachahmer-Medikamente – auszuweichen. Zu dieser Erkenntnis gelangten Forschende in einer Studie im Fachblatt «PLOS Medicine».

Was ist «Evergreening»?

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Mit dem Begriff «Evergreening» wird die Strategie bezeichnet, kurz vor oder nach Ablauf des Patents für ein Medikament ein neues Patent für eine leicht geänderte Formulierung zu beantragen. Dieses kann zum Beispiel nur eine der zwei spiegelbildlichen Formen des Wirkstoffs enthalten, oder den Wirkstoff langsamer an den Körper abgeben.

Ein Team um die Pharmazeutin Nathalie Vernaz vom Universitätsspital Genf (HUG) hat die Folgen dieser Strategie anhand von acht Medikamenten untersucht, die es als Original, Nachfolgeprodukt und Generikum gibt.

Sparpotenzial: 37 Millionen Franken

Diese acht Medikamente verursachten zwischen 2000 und 2008 im Kanton Genf Kosten von 212 Millionen Franken. Die Simulationen der Forschenden zeigten: Hätten die Ärzte nur noch Generika statt Originalprodukte und Nachfolgemedikamente verschrieben, hätte der Kanton insgesamt gut 37 Millionen Franken gespart.

Damit hätten die Nachfolgeprodukte die Versuche der Regierung, die Medikamentenkosten zu senken, zunichte gemacht, folgerten die Autoren. Seit 2006 müssen Patienten beim Kauf eines Originalmedikaments, von dem ein Generikum gibt, 20 statt 10 Prozent Selbstbehalt bezahlen. Die Preise für viele Originalprodukte sind daraufhin markant gesunken.

«Unsere Daten zeigen, dass diese Massnahme den Anteil an Generika zwar erfolgreich erhöht hat», sagte Vernaz. «Doch dieser Erfolg wurde durch die höheren Kosten der Nachfolgerprodukte kompensiert – die Gesamtkosten für diese Medikamente blieben gleich.»

Interpharma: Nutzen nicht verglichen

Der Branchenverband der Pharmaindustrie, Interpharma, bemängelt die Studie: Sie vergleiche nur die Kosten, nicht aber den Nutzen und den Therapieerfolg der verschiedenen Medikamente. «Die berechneten Einsparungen könnten nur realisiert werden, wenn die Wirkung der Produkte absolut gleich wäre und alle Patienten eine Umstellung akzeptieren würden.» Beides sei in der Studie nicht untersucht worden.

Ein kommerzieller Erfolg seien Nachfolgeprodukte in aller Regel nur dann gewesen, wenn sie aus Sicht der Ärzte und Patienten einen Mehrnutzen hatten. Im Rahmen der Therapiefreiheit habe der Arzt zudem stets die Möglichkeit, ein Generikum zu empfehlen. Laut Vernaz und Kollegen haben frühere Studien gezeigt, «dass der klinische Nutzen vieler Nachfolgerprodukte unklar oder höchstens marginal ist».

Verschreibung im Spital

Aber auch die Spitäler stehen in der Pflicht: Die Forschenden konnten erstmals nachweisen, dass sie mit ihrem Handeln die Medikamentenkosten sowohl steigern wie auch senken könne. Fast alle Spitäler führen Medikamentenlisten. Ihre Ärzte dürfen nur Medikamente von diesen Listen verschreiben. Und diese Verschreibungspraxis übernehmen Ärzte ausserhalb des Spitals häufig.

Der Studie zufolge war das Genfer Unispital somit für über 621'000 Franken zusätzliche Kosten im Kanton verantwortlich. Dies vor allem durch die Verschreibung der Nachfolgerprodukte eines Protonenpumpenhemmers gegen Magengeschwüre und eines Antidepressivums.

Hingegen brachte die Einführung des Generikums für ein Antiallergikum auf die Liste eine Kosteneinsparung von 9600 Franken. «Das haben wir nicht erwartet», sagte Vernaz. Dieser «Überschwapp-Effekt» wurde lange vermutet, doch harte Daten fehlten. Pharmafirmen gewähren den Spitälern oft hohe Rabatte, damit diese ihre Medikamente verschreiben.

Verschwenderische Ausgaben

Die Studie zeige «einen Bereich von verschwenderischen Ausgaben» auf, schreibt Aaron Kesselheim vom Brigham and Women's Hospital in Boston in einem Begleitkommentar in «PLOS Medicine». Die Resultate deuteten darauf hin, dass die Politik bei den «Evergreening»-Strategien ansetzen könnte, um Kosten zu sparen.

Dennoch warnen die Autoren selbst davor, zu viel Druck auf die Industrie auszuüben. «Patente fördern die Forschung und Entwicklung», sagte Vernaz. Diese dürften nicht demotiviert werden. Doch sollten diese Patente nur für echte Innovationen vergeben werden.

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