«Man muss aggressiv und offensiv in den Markt investieren», sagt Automobil-Experte Helmut Becker im Gespräch mit SRF 4 News. Nur über die Ankurbelung des Verkaufs könne sich Opel aus dem Abwärtsstrudel herausziehen. Die Flucht nach vorne ist der letzte Versuch, der dem Autohersteller im kränkelnden Automobilmarkt jetzt hoch helfen könne, so Becker.
Der US-Autokonzern General Motors hatte am Mittwoch angekündigt, seine kränkelnde Tochter Opel mit Investitionen von vier Milliarden Euro auf Kurs zu bringen. Der Grossteil der Summe wird in neue Modelle und sparsame Motoren der Marken Opel und Vauxhall gesteckt – bis 2016 soll dies Wirkung zeigen.
GM macht damit eine Kehrtwende. Der Konzern hatte Opel 2009 zunächst an die russische Sberbank verkaufen wollen. Der Mutterkonzern entschied sich dann aber anders und saniert die Tochter seither in eigener Regie.
Modellpalette erweitern
Mit dem Geld wird GM die Präsenz in Europa stärken. In den wachstumsstarken Drittmärkten – wie China – will GM Opel laut Helmut Becker aber keinen Platz verschaffen: «In den Wachstumsmärkten ist der Mutterkonzern bereits mit einer eigenen Palette stark vertreten.»
Mit den angekündigten Investitionen in 23 neue Modelle und 13 neue Motoren will GM in Europa die Wende einleiten. Den Anfang machen der Kleinwagen Adam, der kleine Geländewagen Mokka und das Cabriolet Cascada.
Viel Spielraum bleibt für Opel in Europa nicht. Der Autoabsatzmarkt ist gesättigt – es herrscht gemäss Becker ein «unglaublich starker Wettbewerb». Japanische Marken seien stark vertreten, aber besonders Volkwagen. Es werde schwierig für Opel, altes Terrain wiederzufinden.
Volkswagen der grosse Rivale
2003 hatte Opel in Europa noch einen Marktanteil von rund zwölf Prozent. Heute sind es weniger als sechs Prozent. Volkswagen beherrscht den europäischen Markt laut dem Auto-Experten mit mehr als 20 Prozent Marktanteil.
Auch die vier Milliarden, die GM in seine Tochter Opel investiert, erscheinen im Vergleich zu seinem grössten Rivalen VW läppisch: Volkswagen steckt bis 2015 in Deutschland knapp 20 Milliarden Euro in neue Modelle, Produktionsverfahren und die Modernisierung seiner Fabriken, fünf Mal so viel wie GM für Opel bereitstellt.
«Ein Hin- und Her-Geflattere»
General Motors rechnet mit einem Sanierungsplan von drei Jahren. Helmut Becker ärgert sich darüber: «GM fährt eine kurzfristige Strategie – von ausgeklügelt kann überhaupt keine Rede sein. Das ist ein Hin- und Her-Geflattere.»
GM könne es sich momentan leisten, die vier Milliarden seiner Tochter ohne weiteres zur Verfügung stellen. Denn US-Konzern mache Gewinne. «Die Frage ist: Was passiert, wenn es der Mutter GM wieder schlechter geht?», fragt sich Becker selbst. Er gibt sich darauf eine wenig optimistische Antwort:
«Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den USA sind nach wie vor lausig, tendenziell müssen die Amerikaner den Gürtel enger schnallen. Das heisst weniger Autos – nicht mehr. Und davon wird auch GM betroffen sein.» Wenn dies eintrifft, wird sich GM kaum mehr Subventionen an Opel leisten können. Das Szenario von 2009 könnte sich dann wiederholen.