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Wirtschaft G20-Gipfel: Resultate werden die Wirtschaft kaum ankurbeln

Viel Händeschütteln, viele schwarze Staatskarossen und üppige Bankette. Bei nüchterner Betrachtung verfliegt der Glanz des G20-Gipfels von Hangzhou indes rasch. Für Wirtschaftsexperten wurde nicht viel mehr als Aufgewärmtes und Unverbindliches aufgetischt.

Das Gipfeltreffen der G20-Staaten ist vorüber. Vordergründig beherrschte ein Wille zur gemeinsamen Problemlösung die Gespräche. In diesem Sinn bezeichnend die Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens durch China und die USA. Aber was haben die Gespräche der dümpelnden Weltwirtschaft gebracht – sind Probleme gelöst oder nur Lösungsansätze problematisiert worden? Fragen an die SRF-Wirtschaftsexpertin Maren Peters.

SRF: Die G20-Minister haben einen Aktionsplan zur Belebung der Weltwirtschaft verabschiedet, was ist damit gemeint?

Maren Peters, SRF Wirtschaftsexpertin
Legende: Maren Peters, SRF Wirtschaftsexpertin SRF

Maren Peters: Die 20 Länder meinen damit, dass zur Belebung der schwächelnden Weltwirtschaft eigentlich alle Mittel recht sind. Soll heissen: Es ist in Ordnung, wenn die Notenbanken die Geldschleusen auch künftig weit offenhalten, um billiges Geld in die Wirtschaft zu pumpen – in der Hoffnung, dass sie dann wieder anspringt. Zusätzlich soll es aber auch möglich sein, die Wirtschaft durch Konjunkturspritzen wieder zu beleben. Dabei sollen sie aber auch die Strukturreformen nicht vergessen. Sprich: Die Regierungen sollen sich nicht darauf verlassen, dass mit billigem Notenbankgeld und Konjunkturprogrammen allein die Wirtschaft schon wieder anspringt. Sondern: Sie sollen die Zeit, die ihnen geschenkt wird, nutzen, um ihre Arbeits- und Sozialsysteme auf Vordermann bringen.

Kann die schwächelnde Weltwirtschaft damit wieder in Schwung gebracht werden?

Politisch wenig Konkretes

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Putin und Obama schütteln sich die Hände.
Legende: srf

Die G20-Minister haben fertig getagt. Verabschiedet wurden Absichtserklärungen, verbindliche Abmachungen fehlen. Mehr dazu...

Da darf man eher skeptisch sein. Die Weltwirtschaft wächst derzeit so schwach wie seit fünf Jahren nicht, und die Aussichten trüben sich eher noch weiter ein. Und das, obwohl viele grosse Volkswirtschaften wie Japan schon seit längerer Zeit versuchen, mit einer Mischung aus expansiver Notenbankpolitik und Konjunkturspritzen das Wachstum wieder zu beleben. Bisher ist das nicht gelungen, und es spricht wenig dafür, dass sich das mit diesem Aktionsprogramm ändert.

Warum hat das nicht funktioniert?

Dafür gibt es viele Gründe. Einer ist, dass sich viele Länder daran gewöhnt haben, dass es billiges Geld von den Notenbanken und ab und an ein Konjunkturprogramm gibt. Diese Drogen wirkt nicht mehr. Kommt hinzu: Das billige Notenbankgeld führt zu neuen Blasen an den Immobilienmärkten. Und die Konjunkturprogramme sind vielerorts auf Pump finanziert, das führt zu gewaltigen Schuldenbergen. Japan z.B. ist mit dem zweieinhalbfachen seiner Wirtschaftsleistung verschuldet. Ohne neues Wachstum wird das kaum zurückgezahlt werden können. Das alles ist nicht produktiv schafft keine neuen Arbeitsplätze, führt nicht zu höheren Löhnen. Um das zu erreichen, müssten auch die Arbeitsmärkte und Sozialsystem reformiert werden, aber das ist eben nicht so einfach durchzusetzen und wird darum gerne immer wieder verschoben.

Zur Belebung der trägen Wirtschaft sollen «neue Wachstumstreiber» mobilisiert werden. Was ist darunter zu verstehen?

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Das Thema hat vor allem Gastgeber China vorangetrieben. Innovationen und die digitale Modernisierung mit vernetzten Produktionsketten sollen neues Wachstum schaffen. Was damit gemeint ist, ist unklar, bisher sind das nur wohlklingende Worthülsen, die noch mit Inhalt gefüllt werden müssen. Dazu soll – unter deutscher G20-Präsidentschaft – erst einmal eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden, die Details ausarbeiten soll. Das kann also noch dauern.

Grosser Zankapfel waren in der Vergangenheit die Überkapazitäten z.B. beim Stahl. Insbesondere China steht wegen seiner billigen Stahlexporte in die EU und in die USA unter Beschuss. Hat es auf dem Gipfel eine Einigung gegeben?

Es hat zumindest eine Absichtserklärung gegeben. Laut Communiqué verpflichten sich die G20-Staaen, «wirksame Massnahmen zu ergreifen, um die Herausforderungen zu bewältigen». Sehr allgemein formuliert also. Es heisst auch: Eine künstliche Überproduktion und andere strukturelle Probleme hätte «negative Auswirkung auf Handel und Arbeitsplätze verursacht». Das richtet sich v.a. gegen China, auch wenn das nicht explizit benannt ist. Ob China seine Praxis deswegen ändert, ist zu bezweifeln. Im Stahlsektor stehen viele Arbeitsplätze auf dem Spiel. Wenn China seine Produktion herunterfährt, würden viele davon verloren gehen. Das schafft Unruhe im eigenen Land, welche auch China nicht gebrauchen kann.

Auf einer Skala von 1-10, wie optimistisch stimmen die Ergebnisse des Gipfels die Expertin? 10 bedeutet: alles wird demnächst hervorragend.

Da würde ich die 2 nehmen. Es gibt zwar viele Absichtserklärungen, aber die sind unverbindlich. Zudem hat es viele davon schon ähnlich in früheren G20-Communiqués gegeben. Neue Ansätze sind kaum zu erkennen. Und wenn, dann sind sie wenig konkret – wie etwa die Absicht, die digitale Wirtschaft stärker zu fördern. Gemessen an den Ergebnissen ist dieser Gipfel eher eine Enttäuschung.

Das Interview führte Michael Fröhlich

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