Impfen. What else? Den Slogan von Nespresso kennt man normalerweise anders. Der bekannte Hersteller von Kaffeekapseln ist eines von über 150 Unternehmen, die sich einer deutschlandweiten Kampagne namhafter Firmen angeschlossen haben. Das Ziel: Doch noch die Durchimpfung der Bevölkerung schaffen und so den Kollaps des Gesundheitswesens abwenden.
Alle schimpfen, haben keine Lösung und schieben das Problem von links nach rechts.
Hinter dem Vorhaben steht eine Marketing-Agentur aus Berlin. Geschäftsführer Sven Dörrenbächer sieht darin die Möglichkeit, das Thema Impfen in ein optimistischeres Licht zu rücken: «Wenn man abends in Deutschland durch die Talkshows zappt, ist es frustrierend: Alle schimpfen, haben keine Lösung und schieben das Problem von links nach rechts.» So entstand die Idee, die grössten Claims der bekanntesten Firmen zu nehmen und zu fragen, ob sie diese für einen Impfaufruf umformulieren würden. Die Idee habe sich wie ein Lauffeuer durch die Unternehmen gebrannt.
Nur ein PR-Gag?
Für Johanna Gollnhofer ist fraglich, ob sich damit der impfskeptische Teil der deutschen Bevölkerung umstimmen lässt, nur weil ihre Lieblingsmarke dazu aufruft. Gollnhofer ist Professorin für Marketing an der Universität St. Gallen und spezialisiert auf Konsumentenforschung. «Wir haben gesehen, dass sich Politikerinnen und Politiker seit Monaten den Mund fusselig reden, damit die Leute sich impfen lassen.» Man dürfe sich also zu Recht fragen, ob es sich bei der Kampagne nicht bloss um einen PR-Gag handle.
Letztlich sei aber die Glaubwürdigkeit entscheidend: «Immer wenn eine Marke ein politisches Statement äussert, muss dieser Claim auch langfristig mitgetragen werden – und zwar so, dass die Kunden einem diesen auch abkaufen.»
Schweizer Firmen sind zurückhaltend
Während sich in Deutschland die Unternehmen zu Impfzwecken einspannen lassen, geben sich Schweizer Firmen auf Nachfrage zurückhaltend. Für die Migros sind solche Kampagnen kein Thema. Sie sagt, das Potenzial in Sachen Impfung in der Schweiz dürfte ausgeschöpft sein. Konkurrent Coop hält sich wie alle anderen Unternehmen an die Vorgaben der Behörden und beobachtet die Situation.
Die Zürich-Versicherung hat Mitte September am Konzernhauptsitz ein Impfzentrum eröffnet, in welchem sich Mitarbeitende sowie deren Familien und Freunde immunisieren lassen können. Einzig die Fluggesellschaft Swiss sagt, dass sie eine solche Kampagne genauer prüfen werde. Grundsätzlich vertraue aber auch sie auf die Politik und dass diese die nötigen Massnahmen veranlasse. Die Swiss hat per 1. Dezember ein Impfobligatorium für das Flugpersonal eingeführt.
Unterschiedlicher Umgang mit der Krise
Die Unterschiede zu Deutschland ortet Johanna Gollnhofer im Umgang mit der Krise. «In der Schweiz wird sehr viel auf Eigenverantwortung und wenig auf Zwang gesetzt.» In Deutschland werde dagegen stärker von der Politik gesteuert. Einiges sei dabei angstgetrieben und Massnahmen würden von der Bevölkerung sogar gefordert und auch angenommen.
In der Schweiz wird sehr viel auf Eigenverantwortung und wenig auf Zwang gesetzt.
Eine Impfkampagne mit prominenten Unternehmen dürfte unter diesen Voraussetzungen in Deutschland mehr Wirkung erzielen als bei uns in der Schweiz. Dabei sei es auch nicht problematisch, wenn sich die Privatwirtschaft in den Dienst der Landesregierung stellt, sagt Sven Dörrenbächer. Es gehe um die feste Überzeugung aller Beteiligten, ihren Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten zu müssen. «Dabei nimmt die Wirtschaft keineswegs die Verantwortung aus den Händen der Regierung, im Gegenteil: Alle ziehen an einem Strang.»