Noch vor wenigen Tagen war IWF-Chefin Christine Lagarde voll des Lobes für Japan: Dessen Ankündigung, die Geldschleusen noch viel weiter zu öffnen, als allgemein erwartet, sei unter den gegebenen Umständen ein «positiver Schritt».
Japan müsse sich kurzfristig mehr auf seine Geldpolitik verlassen, um die Wirtschaft per Kickstart wieder in Schwung zu bringen, sagte Lagarde. Für die Finanzmärkte war das eine gute Nachricht.
Kurzfristig gäbe es keine Alternative zu einer lockereren Geldpolitik, bekräftigt der Internationale Währungsfonds (IWF) auch in seinem neuesten Lagebericht.
Geht der Schuldenberg vergessen?
Doch gleichzeitig sendet er auch andere Signale aus: Beim IWF wächst die Sorge, dass sich Japan und auch die USA zu sehr auf die Notenpresse verlassen könnten. Der stetig steigende Schuldenberg drohe darüber leicht in Vergessenheit zu geraten. Weder Japan noch die USA hätten bislang einen klaren und glaubwürdigen Plan vorgelegt, wie sie ihren Haushalt jemals wieder in den Griff bekommen wollten. Diese Sorglosigkeit könnte zu neuen Rückschlägen für die Weltwirtschaft führen, mahnt IWF-Chefökonom Olivier Blanchard.
Es ist neu, dass der Währungsfonds auch die Risiken der expansiven Geldpolitik so deutlich herausstreicht. Dennoch empfiehlt auch Chefökonom Blanchard sie weiterhin als erste Hilfe, um die private Nachfrage anzukurbeln – auch den zögernden Europäern.
Reale Werte fehlen
Skeptiker wie Peter Cauwels vom Institut für unternehmerische Risiken der ETH Zürich warnen dagegen vor den Folgen der lockeren Geldpolitik. Wenn jeder glaube, man könne Geld aus dem Nichts machen, fehlten die Anreize, reale Werte zu schaffen. Das mache Politiker träge, warnt der Risikoforscher.
Doch genau das passiere zur Zeit. Die Probleme im Finanzsystem würden mit den gleichen Mitteln bekämpft, die die Krise verursacht hätten, kritisiert er, nämlich mit immer höheren Schulden.
Cauwels hat selbst lange in der Finanzindustrie gearbeitet. Er hält es für eine Illusion zu glauben, dass das Anwerfen der Notenpresse realen Wohlstand schafft.
Kurswechsel Anfang der 70er Jahre
Zum Beweis geht er zurück in die Geschichte. Nach dem zweiten Weltkrieg sei das starke Wachstum durch eine stetig steigende Arbeitsproduktivität und durch Innovationen generiert worden. Anfang der 70er Jahre hätte es dann einen Kurswechsel gegeben: Wachstum sei nicht mehr durch reale Werte gestützt worden, sondern durch Konsum, finanziert durch boomende Finanzgewinne, die Beleihung teurer Immobilien und explodierende Schulden.
Erst in diesem Umfeld sei es zu Kursblasen und Krisen an den Finanzmärkten gekommen. Und 2008 schliesslich zur globalen Finanzkrise. Das zeigt, sagt Cauwels: Das Drucken von Geld allein schafft kein nachhaltiges Wachstum.
Auch beim IWF scheint diese Botschaft langsam anzukommen. Ein Ende der expansiven Geldpolitik ist dennoch nicht absehbar. Als kurzfristiges Heilmittel ist sie zu verlockend.
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