Der Chef des weltgrössten Software-Konzerns Microsoft, Steve Ballmer, hat überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Er, der 2000 die Nachfolge des legendären Konzerngründers Bill Gates übernommen hatte, will noch im Amt bleiben, bis ein Nachfolger gefunden ist.
Legendäre Auftritte
Um die Suche nach dem neuen Chef kümmert sich ein eigens gegründeter Ausschuss, dem auch Firmengründer Bill Gates angehören wird. Ballmer sagte, seine ursprünglichen Pläne für einen späteren Rücktritt hätten dazu geführt, dass der Wechsel mitten in den Umbau von Microsoft in einen Konzern für Elektronikgeräte und Dienstleistungen gefallen wäre. «Wir brauchen einen CEO, der langfristig für diesen Richtungswechsel zur Verfügung steht.»
Die Nachricht vom Führungswechsel wurde an der Börse mit Freude aufgenommen: Microsoft-Aktien legten rund sieben Prozent zu. Analysten bezeichneten den Schritt als überfällig.
Ballmer gilt als temperamentvoller Manager und ist für seine ausgefallenen Auftritte bei Firmenveranstaltungen bekannt. Vor lauter Engagement schwitzte er seine Hemden durch oder brüllte wie besessen «Developers, developers, developers» – das englische Wort für Entwickler. Videoaufnahmen von seinen Auftritten werden im Internet millionenfach angeklickt.
Kritik aus Branchenkreisen
Allerdings steht der Mathematiker schon länger in der Kritik von Branchenexperten und Investoren. Jüngst hatte der Fonds ValueAct Capital einen kleinen Teil von Microsoft aufgekauft und begonnen, lautstark eine neue Strategie und eine klare Nachfolge-Regelung für die Konzernspitze zu fordern.
Ballmer hatte im Juli eine Neuausrichtung des Konzerns angekündigt, dessen
frühere Vormachtstellung durch den Wandel zu Tablets und Smartphones schwindet. Während Microsoft früher zusammen mit dem Chipriesen Intel die Computerwelt beherrschte, tat sich der Windows- und Office-Hersteller mit dem Übergang in das Zeitalter von Tablet-Computern und Smartphones schwer. Konkurrenten wie Apple setzten dem Konzern mit neuen Geräten zu, während alternative Betriebssysteme wie das auf Linux basierte Android von Google sich auf Smartphones und Tablet-PCs breitmachten.
«Sündenbock»
Ballmer steuerte dagegen, hatte jedoch eher wenig Glück. Um Apples iPhone etwas entgegenzusetzen verbündete er sich mit dem finnischen Handybauer Nokia, dessen Stern als einstiger Marktführer allerdings scheinbar unaufhaltsam verblasst. Bei den Tablets verliess sich Microsoft nicht mehr auf traditionelle Grosskunden wie Hewlett-Packard oder Dell, sondern liess eigene Geräte bauen. Diese waren am Markt allerdings chancenlos gegen die Modelle von Apple und Samsung.
Bei den Betriebssystemen verzeichnete Ballmer sowohl Erfolge als auch Fehlschläge. Während Experten die Windows-Version 7 lobten, wurde der Vorgänger Vista und auch der Nachfolger 8 als unausgegoren geschmäht. Die Anleger hätten Ballmer als «Sündenbock» gesehen, sagt Lucius Müller von der Digitalredaktion SRF. Er habe nie überzeugende Strategien gegen die Konkurrenz gehabt. «Ihm fehlte zudem die Strahlkraft von Bill Gates.»
Wirtschaftlich steht die Firma auf soliden Füssen. Dies aber dank alter Produkte, wie Müller erklärt. «Es gibt keine neuen.» Der neue Chef wird sich anders ausrichten müssen.