«Man muss alle möglichen Szenarien zur Wirtschafts- und Inflationsstimulierung bei den Zentralbanken, aber auch bei den Regierungen diskutieren», meint Gérad Piasko der Chief Investment Officer Schweiz bei der Deutschen Bank. «Wir brauchen neue Ansätze zur Stimulierung von Wirtschaft. Helikoptergeld ist die ultima ratio.»
Beispiel Japan: Das Land steckt seit 25 Jahren in der Krise. Die Wirtschaft will nicht in Schwung kommen, der Staat ist mit 250 Prozent des BIP verschuldet und von Inflation keine Spur. Japan ist so etwas wie ein Mahnmal für Europa. Seit der letzten Krise will auch bei uns die Wirtschaft nicht wieder richtig anlaufen und die Inflation rutscht immer wieder ins Minus ab.
Draghis Tabubruch
Deswegen schwemmt die EZB seit mehr als einem Jahr die Märkte mit Geld: 60 Milliarden Euro schiesst sie jeden Monat ein und kauft Staatsanleihen. Quantitative Easing (QE) nennt sich das im Fachjargon. Doch es tut sich kaum etwas.
Diesen März beging EZB-Präsident Mario Draghi dann den Tabubruch: In seiner Verzweiflung bezeichnete er Helikoptergeld als «sehr interessantes Konzept». Es folgte ein Aufschrei der Empörung aus deutschen Bankerkreisen und ein ängstliches Zurückkrebsen der EZB.
Helikoptergeld wird längst praktiziert
Doch was ist Helikoptergeld? Die Deutsche Bank kommt in einer Studie zum Schluss, dass das QE bereits eine Form von Helikoptergeld ist. Die Notenbank druckt elektronisch Geld, um in grossem Umfang Staatsanleihen aufzukaufen. Damit finanziert die Notenbank den Staat oder im Falle der EU die Staatengemeinschaft.
Studie
Der nächste radikalere Schritt wäre: die Notenbank kauft Staatsanleihen, die keine Verzinsung aufweisen und keine Beschränkung der Laufzeit. Dann verschenkt die Notenbank sogar das Geld. Ähnliches geschieht, wenn die Notenbank Staatsanleihen in ihrem Besitz abschreibt, das heisst vernichtet – und damit die Schuldenlast eines Staates mindert.
Es ist egal, ob das Geld via Staat in den Wirtschaftskreislauf kommt oder ganz spektakulär als Geldregen an Bürger – das Ziel ist immer dasselbe: Die Geldmenge soll radikal erhöht werden, um Inflation zu schaffen und die Wirtschaft zu stimulieren.
Das tut nicht nur die EZB. Sogar die ehrwürdige Schweizer Nationalbank tut es, wenn auch in alles anderer als radikaler Form. Die jährliche Geldausschüttung an Bund und Kantone ist eigentlich nichts anderes als Helikoptergeld: «In gewisser Hinsicht ist es der gleiche Mechanismus», erklärt Jean-Pierre Danthine, Mitglied des Direktoriums der Nationalbank bis Juni 2015. «Die eigentliche Idee des Helikoptergeldes allerdings ist es, auf einmal ganz viel Geld zu verteilen und in den folgenden Jahren gar nichts mehr.»
«Helikopter-Ben»
Ben Bernanke, der ehemalige Chef der US Notenbank, gehört zu den bedeutensten Befürwortern von Helikoptergeld. «ECO» erklärte er letzte Woche: «Es ist wichtig, über Helikoptergeld zu diskutieren, denn die Leute sollen begreifen: Es gibt unter extremen Umständen Werkzeuge, die helfen können und die angewandt werden können. Aber es ist [für die USA] nicht dringlich.»
Bereits 2002 hatte Ben Bernanke Japan empfohlen, die Inflation durch Helikoptergeld zu schüren und damit die Wirtschaft zu stimulieren. Der Vorschlag trug ihm den Spitznamen «Helikopter-Ben» ein.
Japan wird vorangehen
Wenn sich die wirtschaftliche Situation nicht grundlegend bessert, wird ein Land den nächsten Schritt tun und die nächste, radikalere Form von Helikoptergeld ausprobieren.
Bisher war Japan Taktgeber und, wenn man Gérard Piasko glaubt, wird das auch so bleiben: «Japan ist das Schulbeispiel für eine Monetarisierung, also Finanzierung hoher Staatsverschuldung, und Japan wird wohl das erste Land sein, das solche extremen Szenarien durchexerzieren wird.»