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Wirtschaft HSBC-Skandal: «Es ist ein Führungsproblem»

Die Schweizer Tochter der britischen HSBC soll Geldwäsche im grossen Stil ermöglicht haben. Zwei Experten sondieren das Ausmass des Skandals – und sagen, wie dem unlauteren Geschäftsgebaren Einhalt geboten werden kann.

Der hiesige Finanzplatz ist seit Anfang Woche erneut im Fokus: Die Schweizer Tochter der britischen Grossbank HSBC hatte offenbar kriminelle Kunden. Das fand ein Recherche-Netzwerk von Journalisten nach der Analyse von Bankkundendaten heraus. Die anrüchigen Geschäfte liegen Jahre zurück.

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Doch sie werfen ein Schlaglicht darauf, wie eingespielt willige Bankberater und mutmassliche Geldwäscher verfuhren, um Gelder am Fiskus vorbeizuschleusen. Peter V. Kunz, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern, und David Zollinger, Compliance-Spezialist und ehemaliger Zürcher Staatsanwalt, beleuchten die undurchsichtigen Vorgänge.

«Desaster für die Reputation des Finanzplatzes»

Einigkeit herrscht bei den Experten darüber, dass die Vorwürfe den Ruf des schweizerischen Finanzplatzes weiter ramponieren. Von einer «desaströsen Situation» spricht Wirtschaftsrechtler Kunz: «Vorwürfe wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung war man bislang gewohnt.» Jetzt sei aber eine völlig neue Dimension erreicht worden.

Obwohl es um die Tochterfirma einer britischen Konzerns gehe, wirkten sich die Bankengeschäfte im Spektrum von Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche und Blutdiamanten verheerend auf das Image der Schweiz aus. «Man spricht von ‹Swissleaks› – man kann es drehen und wenden wie man will: es ist ein Desaster für die Reputation des schweizerischen Finanzplatzes,» so Kunz.

«Der Fehler liegt im System»

Die Schweizer Rechtsgrundlagen seien aber ausreichend, um dem Gebaren Einhalt zu gebieten. «Was das Juristische angeht, ist die Schweiz seit knapp 20 Jahren führend: Es gibt Bestimmungen im Strafgesetzbuch, ein Geldwäschereigesetz, ein Bundesgesetz über politisch exponierte Personen.» Für den Wirtschaftsrechtler ist die politische Frage eine andere: Haben die Aufsichtsbehörden genug Sanktionsmittel, damit sie ihre Aufgabe wahrnehmen können?

Man kann es drehen und wenden wie man will: es ist ein Desaster für die Reputation des schweizerischen Finanzplatzes.
Autor: Peter V. Kunz Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern

Auch Zollinger, der sich beruflich damit beschäftigt, wie Unternehmen Gesetze und Regeln einhalten, sieht in den unlauteren Bankgeschäften kein genuin schweizerisches Problem. Der Gesetzgeber habe schon früh auf Missstände reagiert. Jetzt mit noch mehr Aufsicht, noch mehr Regeln zu kontern, sei der falsche Weg – zumindest, wenn man nicht in Richtung eines Polizeistaates gehen wolle.

Zollinger plädiert stattdessen für einen Kulturwandel bei den Banken selbst, vorab in der Führungsriege. «Selbst eine sehr starke Regulierung entfaltet nur die Wirkung, die man im Alltag auch umsetzt.» Das Problem betreffe auch nicht nur eine Bank, und auch nicht nur die Schweiz: «Das Problem liegt im System selbst», mahnt Zollinger an.

«Es ist ein Führungsproblem»

Der ehemalige Zürcher Staatsanwalt nimmt denn auch die Banken selber in die Pflicht: «Das Problem ist: Wie werden die Normen, die Pflichten in der Praxis umgesetzt?» Hier stehe nicht in erster Linie die Compliance-Abteilung in der Pflicht: «Es ist ein Führungsproblem. In erster Linie sind es die Linienvorgesetzten, die durch ihr Vorbild und ihre Vorgaben bestimmen, was im Alltag umgesetzt wird.»

Das Problem liegt im System selbst.
Autor: David Zollinger Compliance-Spezialist

Es sei an ihnen, so Zollinger, dies zu kontrollieren. «Solange Compliance als eine Stabsaufgabe wahrgenommen wird, bei der man einfach die richtigen Kreuzchen auf einem Fragebogen ausfüllen muss, hat man das Problem nicht begriffen.» Vielmehr sollte sich die Führungsetage der Herausforderung stellen – und auch akzeptieren, wenn es eben künftig weniger Geschäfte gebe, wenn man die Standards konsequent einhalte.

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