Mitten im Genfer Stadtzentrum werden zurzeit die Räumlichkeiten der Schweizer Tochter der britischen Grossbank HSBC durchsucht. Die Aktion findet unter Aufsicht des Genfer Generalstaatsanwalts Olivier Jornot und dem ersten Staatsanwalt Yves Bertossa statt. Zudem hat sie ein Verfahren wegen des Verdachts auf Geldwäscherei eingeleitet.
«Ich kann nichts dazu sagen»
Gegenstand des Verfahrens seien sowohl die Bank selbst als auch unbekannte Personen, teilte die Kantonsregierung mit. Eine Hausdurchsuchung werde vorgenommen. Die Bank nahm bislang keine Stellung dazu. «Ich kann nichts dazu sagen», erklärte ein Sprecher in Genf.
Die Untersuchung könne sich möglicherweise auf individuelle Personen ausweiten, die verdächtigt würden, an Geldwäsche beteiligt zu sein, teilte die Behörde weiter mit. Eine Bank könne allein schon deshalb bestraft werden, weil sie Verstösse von Angestellten nicht durch geeignete Massnahmen verhindert habe. Die Genfer Justiz reagiert damit auf die Enthüllungen des internationalen Recherchenetzwerks ICIJ.
Wer ist überhaupt zuständig?
SRF-Wirtschaftsredaktorin Marianne Fassbind kritisiert das späte Vorgehen der Behörden. «Schade ist, dass die Schweiz nicht pro-aktiv vorgegangen ist, sondern erst auf Druck von Drittstaaten.» Bekannt sei, dass Frankreich bereits eine Untersuchung gegen die HSBC abgeschlossen hat. Deutschland, Grossbritannien, Belgien und die USA würden ebenfalls Untersuchungen machen.
Dass die Untersuchungen zudem von der Genfer Strafbehörde und nicht von der Bundesstaatswanwaltschaft durchgeführt werden, könne sie nicht nachvollziehen. Es gebe ja auch in Zürich Filialen der HSBC, erklärt Fassbind.
Sollten Beweise gefunden werden, könne es zu Klagen kommen, sagt Fassbind. Dann würden sich auch brisante Fragen stellen – zur Rolle der Finma und zur Rolle der externen Revisionsgesellschaft PriceWaterhouse. Und vor allem: «Wo sind diese toxischen Gelder hingegangen? Womöglich zu einer anderen Schweizer Bank oder einer anderen HSBC-Filiale?»
«Swissleaks» bringt Ermittlungen ins Rollen
In den vergangenen Wochen war es unter dem Namen «Swissleaks» zu zahlreichen Enthüllungen über die Schweizer Tochter der britischen Grossbank HSBC gekommen. ICIJ hatte vor einer Woche Schwarzgeld-Konten und Geschäfte mit Waffenhändlern und Schmugglern bei der Schweizer HSBC öffentlich gemacht. Laut den als «Swissleaks» bekannten Enthüllungen half die Bank weltweit zehntausenden Kunden, darunter bekannten Diktatoren und Kriminellen, Milliarden vor den Steuerbehörden zu verstecken.
Die Medienberichte stützten sich auf die 2007 vom HSBC-Angestellten Hervé Falciani gestohlenen Daten, welche er den französischen Steuerbehörden übergeben hatte.
Bank für Angestellte haftbar
Die Genfer Staatsanwaltschaft stützt sich bei den Untersuchungen gegen die Bank auf den Artikel 102 des Schweizerischen Strafgesetzbuches, wonach ein Verbrechen dem Unternehmen angelastet werden kann. Dies, sofern die Tat wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner natürlichen Person zugerechnet werden kann.
Zudem kann das Unternehmen gemäss Strafgesetzbuch unabhängig von der Strafbarkeit natürlicher Personen bestraft werden, wenn ihm vorzuwerfen ist, dass es nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen getroffen hat, um eine solche Straftat zu verhindern.
Das Strafverfahren könne auch auf natürliche Personen ausgeweitet werden, die im Verdacht stünden, Geldwäscherei begangen oder daran teilgenommen zu haben, schreibt die Staatsanwaltschaft.
Mehrere Schweizer Persönlichkeiten, darunter der ehemalige Tessiner Staatsanwalt Dick Marty sowie alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey hatten in der vergangenen Woche eine Strafuntersuchung gegen die Bank wegen dringendem Verdacht auf Geldwäscherei gefordert.
Ermittlungen in anderen Ländern
Neben den Ermittlungen in Genf steht die HSBC auch in Frankreich unter Druck. Die französischen Untersuchungsrichter schlossen am Montag ihre Ermittlungen zu Schwarzgeldkonten der Bank ab.
Die Ermittlungen zur Rolle des Mutterhauses mit Sitz in London dauern noch an, wie es aus Paris hiess. Erst später entscheidet sich, ob die HSBC in Frankreich vor Gericht muss. Auch in Belgien laufen Ermittlungen gegen die Bank.
Die Behörden verdächtigen die HSBC, in Belgien Diamantenhändlern und anderen reichen Kunden bei der Steuerhinterziehung geholfen zu haben. Auch der deutsche Vize-Kanzler Sigmar Gabriel forderte in Deutschland Ermittlungen gegen das Bankinstitut.
Im Zuge der «Swissleaks»-Affäre haben zudem auch britische Abgeordnete eine Untersuchung angekündigt. In den Datensätzen befinden sich offenbar auch fast 7000 Namen von Kunden in Grossbritannien.