In diesem Frühjahr werden so viele Frauen in die Verwaltungsräte von Schweizer Firmen gewählt wie noch nie. Neue Auswertungen, die «10vor10» exklusiv vorliegen, zeigen: Die 20 grössten in der Schweiz kotierten Firmen besetzen jeden zweiten vakanten Sitz mit einer Frau. Bei den kleineren Firmen ist es jeder vierte Sitz.
«50 Prozent der Neubesetzungen bei den SMI-Firmen sind Frauen, das ist eine massive Steigerung zu den Vorjahren», sagt Gregor Greber Chef des Vermögensverwalters «zCapital», der mit «10vor10» die Zahlen ausgewertet hat. In den letzten fünf Jahren habe sich die Frauenquote bei SMI-Unternehmen – den 20 grössten Konzerne der Schweizer Börse – von 10 auf 17 Prozent erhöht.
Weniger Frauen in Industriebetrieben
Als Hauptgrund sieht Greber den gesellschaftspolitischen Druck, mit dem sich die Unternehmen zunehmend konfrontiert sehen. Ein Hintergrund für die rasante Zunahme könnte auch sein, dass die EU im letzten Herbst beschlossen hat, bei den grössten Unternehmen eine Frauenquote einzuführen.
Dass bei den kleineren Firmen, den sogenannten Nebenwerten, der Frauenanteil zwar auch markant zunehme, aber nicht so schnell wie bei SMI-Firmen begründet Greber wie folgt: Kleinere Firmen seien oft Industrieunternehmen in den Bereichen Maschinenbau und Ingenieurswesen. In diesen Bereichen gäbe es traditionell weniger Studienabgängerinnen, was die Rekrutierung von Frauen erschwere.
Historischer Wendepunkt
Philippe Hertig, Chef Schweiz von Egon Zehnder International, einem der weltweit grössten Unternehmen bei der Suche nach Führungskräften, spricht gar von einem historischen Wendepunkt. Nebst dem Druck aus der Gesellschaft, mehr Frauen ins Management aufzunehmen, seien auch die Profile erweitert worden.
Früher habe man primär erfahrene und gestandene Konzernleiter gesucht, heute habe man das Profil des Verwaltungsrates flexibilisiert. Demzufolge stünden auch mehr Kandidatinnen zur Verfügung. Dass sich schlicht nicht genügend Frauen finden liessen, sei eine faule Ausrede, so Hertig. Suche man systematisch und professionell, seien durchaus genügend Kandidatinnen zu finden.
Qualifikation vorausgesetzt
Das zeigt auch das Beispiel von Monique Bourquin, langjähriges Kadermitglied bei Unilever, dem Hersteller von rund 400 Markenartikeln. Bourquin wurde kürzlich in den Verwaltungsrat des Milchverarbeiters Emmi gewählt. Sie sagt zu «10vor10»: «Die Schweiz ist auf einem guten Weg, weil viele Firmen erkannt haben, dass gemischte Teams mit Frauen erfolgreicher sind.»
Für Bourquin ist es aber besonders wichtig, dass die neuen Frauen auch genügend qualifiziert sind und das Profil stimmt. Einfach eine Frau zu wählen, nur um eine Frau zu haben, das wäre völlig kontraproduktiv, so Bourquin.
Swatch, Syngenta und Nestlé schwingen oben aus
Einige Schweizer Firmen erreichen dank ihrer Einstellungsoffensive in diesem Jahr schon hohe Frauenanteile. Zum Beispiel Swatch mit 34 Prozent Frauenanteil im Verwaltungsrat, der Saatguthersteller Syngenta mit 30 Prozent und der Nahrungsmittelkonzern Nestlé mit 29 Prozent.
Hertig wie Greber sehen diese Zahlen als Beleg, dass die Schweiz ohne gesetzliche Quote auf einem sehr guten Weg sei, Frauen ins Management zu integrieren. Beide Experten gehen davon aus, dass eine fixe Frauenquote, wie sie die EU kürzlich beschlossen oder einige Ländern wie Norwegen bereits haben, deshalb nicht viel bringen würde.
Mit einem Frauenanteil von 17 Prozent in den Verwaltungsräten der SMI-Firmen, liegt die Schweiz europaweit über dem Durchschnitt von rund 16 Prozent. Laut einer Studie von Egon Zehnder International sind die Spitzenreiter in Europa Norwegen mit 37 Prozent gefolgt von Finnland und Schweden. Schlusslichter sind der letztjährigen Studie zufolge Italien, Österreich und Portugal im einstelligen Bereich.