Polen, Rumänien, Bulgarien, Russland: Manch ein Unternehmer hört schon die Kassen klingeln, wenn er an diese Wachstumsmärkte denkt. Verständlich also, dass Jahr für Jahr unzählige Unternehmen Millionen in diesen Ländern investieren. Oft verschwindet der investierte Franken aber auch in der Tasche eines korrupten Zöllners oder eines gierigen Auftragsvermittlers.
Laut einer Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur wurden 40 Prozent der im Ausland tätigen Schweizer Firmen bereits mit Korruption konfrontiert. Der Umgang damit war Thema einer Tagung in Zürich, organisiert vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), der Handelskammer Schweiz-Mitteleuropa und der Nichtregierungsorganisation Transparency International.
Korruption an der Grenze
Der Grenzbeamte, der auf eine kleine Zuwendung wartet, bevor er die Ladung passieren lässt, ist ein Standardfall: Tatsächlich sei «im Normalfall» Korruption vorhanden, wenn es Verzögerungen an der Grenze gebe, sagt Reto Iten. Er exportiert mit seinen 22 Mitarbeitern Maschinen zur Tabakverarbeitung. Als Präsident der Handelskammer Schweiz-Mitteleuropa kennt Iten die Probleme der im Balkan, Baltikum und Osteuropa tätigen Unternehmen.
Typische Fälle seien Probleme mit der Mehrwertsteuer. Hier gebe es Verzögerungen bei der Auszahlung – trotz klarer Abrechnungen würden immer neue Dokumente verlangt, sagt Iten. Oder am Zoll: Hier seien es Verzögerungen mit Import/Export-Abrechnungen. Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind häufig machtlos und juristisch zu wenig beschlagen. Mit informellen Zahlungen erkaufen sie sich deshalb die Gunst von Beamten oder sichern sich grosse Aufträge.
Information und interne Richtlinien nötig
Schmiergelder, Ferien in der Schweiz für die Familie des Auftraggebers oder ein Studium in den USA für die Tochter des Chefbeamten – Korruption kennt viele Formen. Oft seien sich KMU aber nicht bewusst, dass Korruption in der Schweiz auch dann strafbar sei, wenn sie im Ausland begangen werde, sagt Lukas Siegenthaler. Er ist Verantwortlicher für Internationale Investitionen und Multinationale Unternehmungen beim Seco.
Damit Mitarbeiter gar nicht erst in Versuchung kommen und sich strafbar machen, müssten die KMU Richtlinien haben, so Siegenthaler. Ohne klare Regeln, wie Mitarbeiter auf illegale Forderungen oder Bestechungsversuche reagieren sollen, seien diese im konkreten Fall oftmals überfordert.
Wie sollen Mitarbeiter auf illegale Forderungen oder Bestechungsversuche reagieren? Bis zu welchem Betrag dürfen Geschenke gemacht und empfangen werden? Solche Fragen gelte es zu klären.
Wer die Gesetze kennt, kann sich durchsetzen
Jean-Pierre Méan von Transparency International betont denn auch, für Unternehmer sei es zuallererst wichtig, sich zu informieren: Einerseits über das Schweizer Recht, aber auch über die Rechtslage vor Ort. Zudem sollten Informationen über die dortigen Gebräuche und Risiken eingeholt werden. Dann müssten die Mitarbeiter geschult werden. Denn manchmal nütze es bei Schmiergeldforderungen bereits, zu sagen, «in unserem Unternehmen dürfen wir keine Schmiergelder Zahlen», führt Méan aus.
Solche Positionen gegenüber korrupten Beamten und Geschäftspartnern durchzusetzen, ist aber aufreibend und zeitintensiv. Schmiergelder scheinen oft die einfachere Lösung. Aber auch Unternehmer Reto Iten ist überzeugt: wer sich der Korruption verwehrt, ist langfristig auf dem erfolgreicheren Weg. Denn wenn man die Gesetze kenne, könne man sich gegenüber den Beamten auch durchsetzen.
(snep;brut)