Korruption ist weltumspannend. Die Weltbank schätzt, dass jedes Jahr 1000 Milliarden US-Dollar Schmiergelder bezahlt werden.
Gemäss dem Korruptionsindex der Nicht-Regierungsorganisation Transparency International ist die Schweiz eine Musterschülerin. Sie steht auf Platz 5 nach Dänemark, Neuseeland, Finnland und Schweden. Diese vordere Platzierung mit einer weissen Weste gleichzusetzen, wäre aber falsch ( Korruption bei Schweizer Firmen weit verbreitet, «ECO» vom 23.04.2012 ).
Auch die Schweiz hat ihre Bestechungsfälle:
- 1990er-Jahre – Sportmarketing ISL: Die Zuger Firma bezahlte für TV-Übertragungsrechte mindestens 140 Mio. Fr. Bestechungsgelder an die Fifa-Exekutive.
- 2010 – Zürcher Beamtenversicherungskasse BVK: Der Anlagechef nahm Bestechungsgelder von 1,7 Millionen Franken an. Dafür legte er Pensionskassengeld im Sinne der Bestecher an, oder er verschaffte ihnen lukrative Handelsaufträge.
- 2014 – Staatssekretariat für Wirtschaft Seco: Ein Ressortleiter nahm von einer Informatik-Firma Geld und Geschenke im Wert von knapp einer Million Franken an. Dafür verschaffte er ihr Aufträge über Dutzende Millionen Franken.
Korruptions-Training nur in jeder 8. Firma
Dreh- und Angelpunkt solcher Vorfälle sind letztlich die Angestellten. Sie entscheiden im Geschäftsalltag, ob Schmiergelder gezahlt werden oder nicht. Aus dieser Erkenntnis heraus hat Christian Hauser eine Anti-Korruptions-Simulation entwickelt. Der Wirtschaftsprofessor der Churer Hochschule für Technik und Wirtschaft beobachtet, dass Unternehmen in der Regel erst aktiv würden, wenn sie mit Korruption konfrontiert gewesen seien. Und: Lediglich 13 Prozent der international tätigen Schweizer Firmen trainierten ihre Angestellten regelmässig gegen Korruption.
«Unser Ansatz ist ein betriebsökonomischer», sagt Christian Hauser. «Das heisst: Wir zeigen auf, dass es Dilemma-Situationen gibt. Da geht es darum: Sind wir bereit, auf Marge zu verzichten, wenn wir das nur sauber machen können? Oder sind wir eben nicht dazu bereit?»
Weltweite Compliance-Verantwortliche testen Churer Software
Die Entwicklung der Schweizer Hochschule findet international Anklang. Christian Hauser konnte Ende 2014 seine Software vor dem UNO-Netzwerk «Global Compact» präsentieren, das Korruption bekämpfen will und dem weltweit 7000 Unternehmen angehören. Die Software schien bei den Unternehmensvertretern auf Wohlwollen zu stossen.
Die Hochschule Chur hat die Simulation gemeinsam mit Siemens Schweiz entwickelt. Zwar hatte die Regionalgesellschaft mit ihren rund 5800 Mitarbeitern nach eigenen Angaben noch keinen Korruptionsfall. Doch habe man Lehren gezogen aus dem Fall des deutschen Mutterkonzerns 2007, bei dem es um Schmiergelder in Milliardenhöhe gegangen war und der aufgezeigt hatte, dass korruptes Verhalten im Geschäftsalltag bei Siemens offenbar bis in die Chefetage systemisch gewesen war.
Alle Mitarbeiter potenziell kriminell?
Angesichts der bekannt gewordenen Korruptionsfälle stellt sich die Frage: Sind alle Mitarbeiter potenzielle Kriminelle? «Im Gegenteil», stellt Siemens-Schweiz-Chef Siegfried Gerlach klar. «Jeder ist grundsätzlich gut. Wir wollen sicherstellen, dass das auch so bleibt. Wir versuchen, klar zu machen: Es gibt so viele potenzielle Gefährdungen, an die ihr vielleicht gar nicht denkt. Und deswegen klären wir euch auf.»