Die Schweizer Wasserkraftwerkbetreiber leiden unter den tiefen Strompreisen und fordern deshalb mehr staatliche Unterstützung. Eine Studie des Luzerner Energieberatungs-Unternehmens Enerprice hat nun untersucht, wo die Schwierigkeiten in der Branche liegen. Dazu analysierte sie die Grenzkosten der Wasserkraftwerke.
Die Grenzkosten entstehen bei der Produktion jeder zusätzlichen Kilowattstunde Strom. Da sind noch keine Investitionen, Erneuerungskosten und Abgaben wie Wasser oder Zinsen dabei. Diese Kosten sind eine wichtige Kennzahl für die Rentabilität eines Unternehmens. Nur wenn die Grenzkosten unter dem Marktpreis liegen, kann ein Unternehmen Geld verdienen.
Die Studie kommt zum Schluss, dass mehr Subventionen für Wasserkraftwerke überflüssig sind. Weshalb, erklärt Enerprice-Geschäftsführer René Baggenstos im Gespräch.
SRF News: Sie haben die Grenzkosten von acht Kraftwerken verglichen. Ist das repräsentativ für die ganze Schweizer Wasserkraft?
René Baggenstos: Bei einer Auswahl von acht Kraftwerken besteht natürlich ein gewisses Risiko, dass eine richtig gute Aussage nicht gemacht werden kann. Wir haben diese acht genommen, weil sie im Besitz von mehreren Aktionären sind. Dort sind die Informationen transparenter. Weil die Unterschiede zwischen den ausgewählten Unternehmen recht gross sind, kann man davon ausgehen, dass die Schlüsse aus der Studie für die ganze Branche ungefähr stimmen.
Zu welchen Schlüssen kommt die Studie?
Anhand von Geschäftsberichten haben wir die effektiven Grenzkosten der Schweizer Wasserkraftwerke ermittelt. Die Untersuchung zeigt, dass diese Kosten immer noch deutlich tiefer als die heutigen Marktpreise sind. Das heisst, sie könnten also Geld verdienen. Zudem schauten wir an, was den Wasserkraftwerken oft Schwierigkeiten bereitet. Zum einen müssen sie viele Abgaben bezahlen, zum andern liegt es an strukturbedingten Kosten, die sich die Kraftwerke selber verursacht haben.
Die Wasserkraftwerkbetreiber hätten es also in der eigenen Hand, rentabel zu wirtschaften?
Nur zum Teil. Einerseits müsste das Thema Abgaben behandelt werden. Der Eigentümer – oft die öffentliche Hand – verlangt Abgaben und verursacht den Kraftwerken damit Kostenprobleme. Andererseits ist die Struktur, die geschaffen wurde, recht teuer. Wenn man das mit deutschen Kohlekraftwerken vergleicht: Diese bezahlen rund ein Rappen pro Kilowattstunde für Strukturkosten. In der Schweiz verbleiben den Wasserkraftwerken nach unseren Ermittlungen im Schnitt 2,9 Rappen Strukturkosten. Das ist ein gewaltiger Unterschied.
Wenn die Wasserkraftbetreiber an die Standortgemeinden viel tiefere Zinsen bezahlen müssten, wären sie rentabel?
Das wäre nicht für jedes Kraftwerk so. Wenn sie aber deutlich tiefere Wasserzinsen bezahlen müssten, wären sie in einem vernünftigeren Preissegment. Bei einigen würde das nicht reichen und die müssten auch ihre Strukturkosten anpassen.
Es wäre das falsche Signal, der Wasserkraft Unterstützungen zu geben.
Also sind weitere Unterstützungen für die Wasserkraft überflüssig?
Absolut! Es wäre das falsche Signal, der Wasserkraft Unterstützungen zu geben. Es ist eine Branche, die ihre Strukturen an die neuen Gegebenheiten und dem Markt anpassen muss. Ihr Marktumfeld ist schwierig, wie für fast alle Branchen in der Schweiz. Wichtig ist, dass die Wasserkraft die Anpassungen nun vornimmt. Möglicherweise geht dabei das eine oder andere Kraftwerk Konkurs, wird von einem anderen gekauft und dann vielleicht günstiger betrieben.
Wie erklären Sie sich, dass die grossen Stromkonzerne zum Teil darauf pochen, die Wasserkraft sei nicht rentabel und deshalb bräuchten sie Unterstützung?
Das ist eine verständliche Reaktion. Die Strombranche stand jahrelang nicht im Wettbewerb. Sie hat sich daran gewöhnt, in einem Monopolmarkt zu agieren. Der plötzliche Druck auf Strukturanpassungen, der schmerzt natürlich. Es gibt allerdings auch Stromkonzerne, sogar grosse, die sehen das ganz anders. Sie sagen: «Genau, wir müssen uns dem Markt anpassen.»
Die Strombranche stand jahrelang nicht im Wettbewerb. Sie hat sich daran gewöhnt, in einem Monopolmarkt zu agieren.
Machen Sie sich auch angesichts der sehr tiefen Strompreise grundsätzlich keine Sorgen um die Zukunft der Schweizer Wasserkraft?
Ich mache mir mittelfristig keine Sorgen. Was sicherlich falsch wäre, die Wasserkraft so stark zu subventionieren, wie Deutschland es bei den erneuerbaren Energien tut. Dort können herkömmliche Kraftwerktypen aus diesem Grund gar nicht mehr konkurrenzfähig agieren. Das hat auch den Strompreis in der Schweiz gedrückt und drückt ihn weiterhin. Wenn das über Jahrzehnte so weiterginge, hätten wahrscheinlich die meisten Kraftwerkstypen irgendwann einmal ein Problem. Finge die Schweiz diesen Preisdruck wiederum mit Subventionen auf, würde der Effekt verstärkt. Dann würden wir mit unseren Subventionen die Subventionen von Deutschland quasi wieder wettmachen.
Das Gespräch führte Klaus Ammann.