Zu Besuch bei Maler Alfred Marti. Sein Einmann-Betrieb aus Kirchberg bei Bern hat einen neuen Auftrag gefasst. In einer Berner Wohnsiedlung soll er einen Keller streichen. Marti steht da in seinem weissen Maler-Gewand: «Die Farbe blättert und mein Auftrag ist es, die lose Farbe abzukratzen und dann alles neu zu streichen, damit die Waschküche wieder bestens aussieht», erklärt der Endvierziger seine Tätigkeit.
Er spricht von Dispersion, Tiefgrund und Ölmattfarbe. Der Fachjargon und sein handwerkliches Geschick lassen keine Zweifel offen: Der Mann versteht sein Handwerk. Seit 30 Jahren arbeitet er als Maler und Gipser. Seit zehn Jahren selbständig. Marti sagt, sein Kundennetz habe er über die Jahre aufgebaut. Aber sucht er nach neuen Kunden, setzt er vor allem auf das Internet: «Wenn ich am Abend nach Hause komme, setze ich mich vor den Computer, schaue was für Aufträge reingekommen sind und mache eine Offerte.»
Von Katzentüren bis zur Fassadensanierung
Die Internetseiten heissen expertado, offertube oder renovero. Das Geschäftsmodell dahinter ist einfach: Jeder Bauherr, egal ob Privatperson oder Firma, kann gratis Handwerkerarbeiten ausschreiben. Die Handwerker können dann ihre Offerten einreichen und liefern dem Betreiber der Website dafür eine Gebühr ab.
Urs Rubitschon ist Geschäftsführer von renovero.ch. Über seine Seite liefen letztes Jahr Handwerkeraufträge im Gesamtwert von fast 100 Millionen Franken. «Die Aufträge gehen von einer Katzentüre, die einzubauen ist, für 80 Franken bis zu einer kompletten Fassadensanierung für 80‘000 Franken», sagt Rubitschon.
Bei der Marktführerin renovero, die zur Tamedia-Gruppe gehört, sind vier Jahre nach dem Start 2500 Handwerker registriert. Kunden finden einfach Handwerker und umgekehrt. Das Geschäftsmodell funktioniert. Nicht aber für Peter Baeriswyl, Direktor des Maler- und Gipserverbands. «Mich stört, dass die Offerten die dort erarbeitet werden, nicht seriös sind», präzisiert Baeriswyl seine Bedenken.
Dumpingpreise als Problem
Nicht seriös seien die Offerten, weil sie häufig auf einer wagen Auftragsbeschreibung im Internet beruhten. Das locke unseriöse Firmen an, die mit Billigstofferten den Preiskampf in der Branche noch verstärkten. SRF machte den Test: Gesucht war ein Maler, der eine Viereinhalbzimmer-Wohnung streicht. 24 Handwerker meldeten sich. Die Billigsten verlangten 1600 Franken. Die Teuersten wollten 5000 Franken.
Baeriswyl überrascht das nicht: «Selbstverständlich gibt es auch Unternehmer, die zu viel verlangen, aber in der Realität wird es dann so sein, dass sie den Auftrag nicht erhalten, weil es genügend Unternehmer gibt, die viel zu tief offerieren – und das ist das Problem in unserer Branche.»
Wer zu tief offeriere, könne oft nicht die verlangte Qualität liefern, habe vielleicht auch nicht die nötigen Qualifikationen, verstosse gegen die branchenüblichen Arbeitsbedingungen oder betreibe gar Schwarzarbeit, vermutet Baeriswyl.
Kundenbewertungen als Indikator
Dass sich schwarze Schafe auf renovero tummeln, das könne man nicht verhindern, sagt deren Chef Rubitschon. Aber: Wer pfusche, erhalte vom Auftraggeber eine schlechte Bewertung und bekomme kaum mehr neue Aufträge. Zudem überwache renovero die Handwerker. Schwarze Schafe würden bestraft.
«Das kann auch bedeuten, dass wir den Handwerker von der Plattform verbannen», erklärt Rubitschon. Hinzu komme, dass die Auftraggeber gegenüber Billigsthandwerkern ohnehin kritisch eingestellt seien und diese meist nicht berücksichtigten.
Maler Alfred Marti interessiert sich nicht für die Bedenken des Malerverbands. Jeden Monat bekomme er Aufträge im Internet, ohne Dumpingpreise zu offerieren. Nach der Arbeit geht er deshalb auch heute nach Hause, startet den Computer und sucht nach neuen Auftraggebern.