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Wirtschaft Plötzlicher Sturz ins Leere – Suizid unter Managern

Der Tod des zurückgetretenen CEO der Zurich Versicherung reiht sich ein in eine traurige Folge von Suiziden bei Managern, die nach einem Jobverlust offensichtlich ins Leere fallen. Wie viel können und dürfen Unternehmen oder Führungskräfte sich selbst abverlangen?

Martin Senn, der ehemalige Chef der Zurich Versicherung hat seinem Leben mit 59 Jahren am Freitag ein Ende gesetzt. Der frühere Topmanager der Zurich-Versicherung leitete sechs Jahren lang den Konzern, musste aber vor einigen Monaten seinen Posten räumen – wegen wiederholt schlechter Zahlen und der gescheiterten Übernahme des britischen Versicherungskonzerns RSA.

Sein Tod reiht sich ein in eine Folge von Suiziden bei Managern, die nach einem Jobverlust offensichtlich ins Leere fielen. Dies wirft die Frage auf, was ein Unternehmen oder Führungskräfte sich selbst abverlangen dürfen.

Vernachlässigtes soziales Netz

Hoher Zeitdruck, ständige Verfügbarkeit und Investoren, die mehr denn je gute Zahlen fordern – der Druck in der obersten Führungsetage ist gross.

«Manager krampfen 50, 60 Stunden pro Woche», sagt der Psychologe Urs Tschanz vom Personalentwicklungs-Unternehmen Diacova: «Sie haben vielleicht noch ein kleines soziales Beziehungsnetz mit Familie und Kinder. Wenn aber der Job wegfällt, dann fallen sie ins Leere, weil sie nichts anders haben. Auch kein Hobby, sondern nur den Beruf, über den sie sich definieren.»

Der ungebremste Fall

Im schlimmsten Fall heisst es nach einer steilen Karriere, plötzlich den Sessel räumen zu müssen.

Das passiert auch Martin Senn. Vor zehn Jahren stiess er zur Zurich. Als Finanzchef hat er den Konzern erfolgreich durch die Finanz- und Währungskrise geführt. Das war sein Sprungbrett. 2009 wird er zum Unternehmens-Chef ernannt. Nach sechs Jahren an der Konzernspitze folgt aber im Dezember der Paukenschlag: Senn muss mit sofortiger Wirkung zurücktreten.

Der Todesfall erinnert an andere Spitzenmanager, die nach dem Jobverlust Suizid begingen: Vor drei Jahren nahm sich der damalige Zurich-Finanzchef Pierre Wauthier das Leben. Oder der Chef von Ricola, Adrian Kohler, wählte 2011 den Freitod, nachdem er von seinem Amt freigestellt worden war.

Verlust des sozialen Status'

Rolf Bauz, Geschäftsführer des Kaufmännischen Verbandes Zürich, kennt die Fälle nicht im Detail. Er weiss aber aus seiner Tätigkeit als Coach von Kaderleuten, was ein Jobverlust bedeuten kann: «Man scheidet aus und auf einmal verliert man auch noch den Status. Man hat keine Einfluss mehr, keine Macht und auch nicht mehr den sozialen Status.»

Es gebe ähnliche Beispiele auch aus dem Sport, sagt Bauz: «Leute, die die Bühne mit dem Applaus verlassen haben, die plötzlich nicht mehr wissen, wer sie sind und Schwierigkeiten haben, Fuss zu fassen.»

Das soziale Netz fängt auf

Was also tun, wenn plötzlich ungewollt früh Feierabend ist und keine nächste, dringende Sitzung ansteht? Der Arbeitsmediziner Dieter Kissling warnt davor, sich zurückziehen: «Zuallererst müssen sie die sozialen Netze wieder aufbauen, die sie jahrelang venachlässigt haben. Dann müssen sie eine sinnhafte Aufgabe finden, in der sie sich verwirklichen können. Es braucht wieder ein Ziel vor Augen.»

Denn wenn ein Mensch keinen anderen Ausweg mehr sieht als den Tod, hat diese Entscheidung viele Ursachen – und es geht um sehr viel Persönliches.

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