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EIne Person hält ein iPhone, auf dem eine TV-Streaming-App läuft.
Legende: Mediapulse kann heute noch keinen mobilen Konsum messen. Keystone

Wirtschaft Publikumsforschung hinkt der Realität hinterher

Zuschauer sind für TV-Sender wichtig und lukrativ. Je mehr Zuschauer, desto teurer kann man Werbeminuten verkaufen. Es schauen aber immer mehr auf ihrem Mobiltelefon fern und werden nicht gezählt. Das soll sich ändern. Damit sind die Werbe- ebenso wie die Medienbranche einverstanden.

In der Medienbranche wird gerne und oft gestritten: Aktuell liegen sich die privaten Zeitungsverleger und die SRG wegen des Online-Auftritts der SRG in den Haaren. Vor zwei Jahren tobte ein Streit um die TV-Zuschauerzahlen. Mediapulse, welche die Zuschauerzahlen ermittelt, hatte auf ein neues System gewechselt. Darauf hatte der Sender 3plus gegen das neue System geklagt.

Doch im Bereich der Nutzungsforschung ziehen jetzt für einmal alle Player am selben Strick. Alle sehen, wie rasch sich die Mediennutzung verändert. Radio- und Fernsehsendungen werden immer häufiger zeitversetzt und unterwegs gehört und geschaut.

Diese Nutzung zu erfassen, sei für die Medienforscher schwierig, sagt Franz Bürgi, Geschäftsführer von Mediapulse, aber es sei machbar: «Es gibt die Möglichkeit, ein kleines Stück Software auf dem Handy zu installieren. Oder wer im Internet surft, wird ja gefragt bezüglich einem sogenannten Cookie, der die Nutzung registriert. Nur so ist es möglich, an dieses Nutzungsverhalten heranzukommen.»

Wemf und Mediapulse planen Zusammenarbeit

Bisher ermittelt Mediapulse die Zahl der Radiohörer und Fernsehzuschauer. Und die Wemf, die AG für Werbemedienforschung, erforscht die Zahl der Zeitungsleser. Gemeinsam wollen die beiden Firmen künftig auch die Mediennutzung via Smartphone erfassen. Denn im Internet verschmelzen die Kanäle Zeitung, Radio und Fernsehen, erklärt Bürgi: «Die Medien, getrieben durch das Internet, fliessen zusammen. In einer solchen Welt ergibt es auch Sinn, dass auch die Medienforschungsorganisationen eng zusammenarbeiten.»

Unterstützung erhalten Mediapulse und Wemf nun durch die Eidgenössische Medienkommission Emek; eine Expertenkommission, die den Bundesrat berät. Die Kommission hat bekanntgegeben, dass sie die Pläne der Medienforscher begrüsst und sie sogar finanziell unterstützen will.

Das bestätigt Gabriele Siegert, Publizistikprofessorin an der Universität Zürich und Mitglied der Medienkommission: «Aufgrund dieser spezifischen Herausforderung glauben wir, dass es für den kleinteiligen Schweizer Medienmarkt sinnvoll ist, mit einer Anschubfinanzierung zu helfen.»

Bundesgelder zur Wahrung der Unabhängigkeit

Sinnvoll – aber ist es richtig? Die grossen Medienhäuser machen teilweise hohe Gewinne. Warum soll die öffentliche Hand hier Geld einschiessen? Weil sonst die Medienforschung von den grossen Medienhäusern gesteuert und dominiert würde, sagt Siegert. «Da geht es um die Kleinen wie um die Grossen. Wir wollen insbesondere, dass die Medienforschung, die etabliert wird, interessensunabhängig ist.» Um die steigende Zahl von Medienangeboten im Internet zu erfassen, müssen die Medienforscher investieren. Und der Bund soll finanziell mithelfen.

Die Vorschläge der Medienkommission des Bundes kommen in der Branche gut an: Mediapulse, die Wemf, aber auch der Verband der Werbeauftraggeber und die privaten Verleger stehen dahinter. Statt Streit ist für einmal also Eintracht angesagt. Ob der Bund die Medienforschung aber tatsächlich finanziell unterstützt, muss der Bundesrat entscheiden.

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