Die beiden Mehrheitsaktionäre hatten die Westschweizer Traditionszeitung «Le Temps» am 8. Oktober zum Verkauf ausgeschrieben. Ein alleiniger Besitzer biete angesichts der Herausforderungen der Medienbranche die besten Voraussetzungen für den Fortbestand und die Weiterentwicklung der Qualitätszeitung, hiess es in der
Begründung.
Bis Ende März konnten Kaufangebote eingereicht werden. Nach einer sorgfältigen Prüfung der Dossiers habe Ringier Interesse an der Übernahme des Tamedia-Anteils geäussert, hiess es in einer Mitteilung von Ringier.
Dies habe zu einer raschen Einigung der beiden Medienhäuser geführt. Die entsprechenden Verträge seien am Donnerstagabend unterzeichnet worden. Minderheitsaktionäre, Management, Redaktion, Kaufinteressen und die Westschweizer Behörden hätten die entsprechende Information am Freitagmorgen erhalten.
Ringier: Anderes Image in der Romandie
«Auf den ersten Blick passt das wie die Faust aufs Auge», sagt SRF-Wirtschaftsredaktor Klaus Bonanomi zu der Übernahme. Denn «Le Temps» sei für die Romandie so etwas wie die «NZZ» für die Deutschschweiz: Ein Symbol für Qualität, für gehobenen Journalismus.
Doch in der Westschweiz sei das anders: Dort habe Ringier ein höheres Niveau und verlege unter anderem das angesehene Polit- und Wirtschaftsmagazin «L'Hebdo», erklärt Bonanomi. «Und der grosse Boulevard-Verleger ist Tamedia.» Mit der Gratiszeitung «20 minutes» und mit «Le matin» habe Tamedia zwei grosse Boulevardblätter in seinem Portfolio.
«Herzenssache» für Ringier
Ringier hielt fest, dass der Kaufpreis der im Vorfeld gemeinsam festgelegten und allen Interessenten mitgeteilten Bewertung entspreche. «Le Temps ist für Ringier eine Herzenssache», wird Ringier-CEO Marc Walder zitiert.
Ringier betrachte sich seit je auch als französischsprachiger Verlag, tief verbunden mit der Westschweiz. Seitens der Tamedia liess Verleger und Verwaltungspräsident Pietro Supino verlauten, dass man sich nur ungern von der Beteiligung an «Le Temps» trenne.
Eine Übernahme durch Tamedia hätte nach Angaben Supinos jedoch zu einem langwierigen Verfahren mit der Wettbewerbskommission geführt. Die Übernahme durch Ringier wird nun der Wettbewerbskommission gemeldet und steht unter dem Vorbehalt von deren Zustimmung.
Für die Zeitung hatten sich auch ein Verein der Freunde der Genfer Tageszeitung beworben. Dieser «Cercle des Amis» zählte rund 700 Mitglieder.