Samsung ruft Millionen bereits verkaufter Smartphones wegen möglicherweise gefährlichen Akkus zurück, der Autogigant General Motors tut es mit Millionen von Autos, deren Airbag-Software ein Update braucht. In beiden Fällen wurden die fehlbaren Produkte nicht genügend getestet, bevor sie auf den Markt kamen.
«Es braucht mehr Qualitätsmanager», sagt Gerald Winz zu der Problematik. Er unterrichtet Qualitätsmanagement an der Hochschule im bayrischen Kempten und hat zu dem Thema ein Buch für angehenden Wirtschaftsingenieure geschrieben.
SRF News: Nimmt die Anzahl von Rückrufaktionen wegen defekten Einzelteilen zu?
Gerald Winz: Dieser Eindruck drängt sich in der Tat auf, lässt sich aber nicht nachweisen. Es gibt auch keine wissenschaftlichen Studien dazu, ob es um die Qualität und das Qualitätsmanagement in der Vergangenheit besser bestellt war. Klar ist: Samsung oder General Motors sind sehr prominente Marken, die eine entsprechend starke Wahrnehmungswirkung in der Öffentlichkeit erzielen.
Um beim Beispiel von Samsung zu bleiben: Die Rückrufaktion hat für den Konzern milliardenschwere Folgen. Weshalb gelingt es betroffenen Unternehmen nicht, Produktionsfehler rechtzeitig zu entdecken?
Ein High-End-Smartphone ist ein sehr komplexes Gerät mit vielen Komponenten. Hinzu kommt, dass die Produktionszyklen für neue Modelle inzwischen auf ein Jahr hinuntergedrückt worden sind. Das kann unter Umständen dazu führen, dass gewisse Qualitätstests nicht mehr so solide durchgeführt werden, wie sie es müssten. Dabei können wenige Wochen mehr oder weniger entscheidend sein. Dies betrifft etwa Zuverlässigkeits- oder Alterungstests, die sich trotz Simulationen nicht unbeschränkt verkürzen lassen.
In China oder Mexiko ist das Aufdecken eines Fehlers ein Problem: Er ist mit einem Gesichtsverlust verbunden.
Die Geräte werden immer komplexer, sie bestehen aus immer mehr Einzelteilen, oftmals von Zulieferern. Erhöht dies die Gefahr, dass etwas schief läuft?
Die globale Beschaffung von Komponenten hat sich in den letzten Jahren tatsächlich verstärkt. Diese internationalen Produktions- und Logistikketten stellen eine besondere Herausforderung dar. Eine Rolle spielt dabei die Tatsache, dass sehr viel kommuniziert werden muss. Wenn wir zum Beispiel in Deutschland oder der Schweiz einen Fehler feststellen, versuchen wir die Ursache dafür herauszufinden. In Ländern wie China oder Mexiko kann aber allein das Aufdecken eines Fehlers zu einem Problem führen, weil Fehler dort mit einem Gesichtsverlust verbunden sind. So kann es zu kuriosen Erscheinungen kommen, indem etwa der Fehler zwar bekannt ist, aber alle darüber hinwegschauen. Anstatt den Fehler bei der Wurzel zu packen und zu beseitigen wird dann vielleicht bloss eine zusätzliche Endkontrolle eingebaut.
Braucht man also immer bessere Kontrollmechanismen und Qualitätsmanager, damit mögliche Fehler ausgemerzt werden können?
Ja. Es gibt eine scheinbare Sicherheit durch die ISO-Norm 9001, die bestimmte Anforderungen ans Qualitätsmanagement stellt. Demnach müssen die Mitarbeiter an bestimmten Stellen zum Beispiel «kompetent und erfahren» sein. In Deutschland und der Schweiz verstehen wir darunter aber etwas anderes als beispielsweise in den USA. So wechselt dort etwa ein Industriearbeiter im Durchschnitt nach vier Jahren seine Stelle, bei uns erst nach zehn Jahren. Unter «Kompetenz» wird auch in China etwas anderes verstanden. Dort kann jemand durchaus «kompetent», sein, der bloss durch ein paar Handgriffe angelernt wurde. Hinzu kommen die weltweit sehr unterschiedlichen Ausbildungssysteme. Wir können uns deshalb nur an der Nase nehmen und das Qualitätsmanagement an unseren Hochschulen stetig vertiefen und verstärken, sowie mehr Qualitätsingenieure ausbilden. Vielleicht sollte auch die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen verstärkt werden, etwa mit Professoren aus dem interkulturellen Bereich.
Das Gespräch führte Marc Allemann.