An den Weiterbildungsseminaren der Tessiner Bankiervereinigung treffen sich normalerweise nur einige Dutzend Fachleute. Am Dienstag war das anders. Eine Konferenz über aktuelle Steuerfragen in Italien verzeichnete einen Publikumsrekord. Denn anwesend waren Spitzenvertreter des italienischen Fiskus.
Einer von ihnen war Francesco Greco, Staatsanwalt in Mailand. Er ist der Kopf hinter dem neusten System für Selbstanzeigen, das der italienische Staat in diesen Tagen aufgelegt hat. Italienische Steuerzahler, die im Besitz von Schwarzgeld sind, können reinen Tisch machen – mit einer Selbstanzeige. Dabei werden bis zu 70 Prozent des Kapitals für Nachsteuern, Steuern und Gebühren fällig.
Fertig mit illegaler Komplizenschaft
Greco wird deutlich in seinem Votum vor den Tessiner Bankiers: Es müsse nun Schluss sein mit der Opferrhetorik in der Schweiz, sagt der Italiener. Die Welt habe sich geändert. In dieser neuen Welt müssten Banken mit ihren Produkten konkurrieren und nicht mit unsauberen Praktiken. Die Komplizenschaft mit der Illegalität – mit Steuerhinterziehung, Urkundenfälschung und Devisenschmuggel – müsse ein Ende haben.
«Wie soll ich meinen Kunden zur Selbstanzeige überreden, wenn der danach den Grossteil seines Kapitals verliert?», fragt ein Tessiner Finanzberater. Die Antwort kommt von Oberst Antonio Martino. Er leitet in der italienischen Steuerverwaltung den Kampf gegen internationale Steuerhinterziehung: «Wenn der Steuerpflichtige sich selbst anzeigt, dann zahlt er 60 oder 70 Prozent. Wenn er das nicht tut, dann werde ich ihn schnappen. Dann landet er im Mailänder Gefängnis San Vittore.»
Schweiz auf schwarzer Liste in Italien
Einige Treuhänder im Publikum reagieren ungehalten. Anders der Luganeser Vermögensverwalter Fiorenzo Robbiani: Die Kunden würden eingeladen, sich selbst anzuzeigen – das sei das Beste für sie selbst und auch für den Finanzplatz Tessin. Nur eine Minderheit der Kunden ziehe jetzt ihr Schwarzgeld ab vom Finanzplatz Schweiz.
Auch der Präsident der Tessiner Bankiervereinigung, Claudio Generali, übt sich in Pragmatismus. Die Selbstanzeigen in Italien seien jetzt eine Tatsache, das könne man nicht ändern. Was aber geändert werden könne sei, dass die Schweiz in Italien immer noch auf einer schwarzen Steuerparadies-Liste geführt werde. Solange dies so ist, bezahlen italienische Bankkunden nach einer Selbstanzeige doppelt so hohe Nachsteuern, wie wenn sie ihr Geld in Luxemburg versteckt hätten.
Vor drei Monaten hat der Bundesrat mit der OECD ein Abkommen unterzeichnet, das den Austausch von Finanzinformationen vorsieht. Diese Informationen werden dereinst auch zu italienischen Steuerfahndern fliessen. Im Gegenzug dürfte die Schweiz von der schwarzen Liste in Rom gestrichen werden.
Es bleibt Hoffung
Italien hat seinen Steuerflüchtlingen schon drei Steueramnestien angeboten. Trotzdem blieben laut Aussagen von Tessiner Vermögensverwaltern zwei Drittel des italienischen Kapitals im Tessin. Vielleicht, so die Hoffnung, können die nun offenzulegenden italienischen Gelder weiterhin vom Tessin aus verwaltet werden. Eine Hoffnung, welche die «Katastrophenstimmung» etwas in Grenzen hält.
(snep;eglc )