Die Schweiz möchte sich im Kampf gegen so genannt «unlautere Finanzströme» stärker engagieren. Es handelt sich dabei um Transaktionen, die nach geltendem Gesetz zwar oft legal sind, aber zu massiven Geldabflüssen in Entwicklungsländern führen. Geld, das diese dringend für den Aufbau der eigenen Wirtschaft brauchen würden. Profiteure sind meist die lokalen Machthaber und internationale Konzerne.
Auf den ersten Blick scheint alles legal: Eine Tochterfirma des staatlichen Ölkonzerns in Angola baut zusammen mit einem Schweizer Rohstoffkonzern in Singapur ein Joint-Venture auf. Statt dass die Ölfirma das angolanische Rohöl direkt exportiert, überlässt sie dies der Tochterfirma. Diese liefert danach aus Erdöl hergestellte Fertigprodukte zurück nach Angola. Die Nichtregierungsorganisation Erklärung von Bern hat kürzlich Recherchen zu diesem Beispiel veröffentlicht.
Neue Form der Steuerflucht
Auch wenn man zugunsten der beteiligten Firmen annehmen will, dass sie sich dabei an die Gesetze Singapurs und der Schweiz gehalten haben: Dieser Fall ist beispielhaft dafür, wie den Entwicklungsländern Geld entzogen wird. Denn der Gewinn wird nicht in Angola versteuert, sondern – wenn überhaupt – in Singapur. Die überschüssigen Gewinne dieser Firmen werden über Beteiligungen in verschiedenen Steueroasen verschoben. Die Nutzniesser sind die Machthaber in den Ländern und ihre Entourage, welche Teilhaber dieser Firmen sind.
Dies wird von internationalen Organisationen als neue Form der Steuerflucht gewertet, weil von dem Geld nichts mehr im Ausgangsland ankommt. Angola entgehen so Steuergelder, Investitionen und Arbeitsplätze.
OECD: Bis zu eine Billion Dollar Abflüsse pro Jahr
Ausserdem unterliegen diese Geschäfte im Herkunftsland schlechten Kontrollen. Oft wird die Ausfuhr die Menge der Rohstoffe falsch angegeben. Und es werden falsche Preise bei den Ein- und Ausfuhren verbucht, wie Janvier Nkurunziza von der UNO-Entwicklungsorganisation Unctad sagt:
Zwischen 850 Milliarden und einer Billion Dollar pro Jahr fliessen gemäss Schätzungen der OECD auf diese Weise aus Entwicklungsländern ab. Mehr Geld als Entwicklungshilfe in diese Länder fliesst. Deshalb will die internationale Gemeinschaft diese Praktiken unterbinden. Es wird diskutiert, wie man die Finanzströme genauer kontrollieren kann.
Schweiz ist gefordert
Die Schweiz mit ihren liberalen Steuergesetzen für Holdingfirmen könnte dabei erneut international in die Kritik geraten. Grund genug, sich früh aktiv an der Debatte zu beteiligen. Christoph Graf von der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA weist darauf hin, dass die Schweiz international im finanziellen Bereich sehr stark vernetzt ist: «Da haben wir ein ureigenes Interesse, auch langfristig glaubwürdig einen sauberen und korrekten Finanzplatz zu haben.»
Angestossen hat die politische Diskussion in der Schweiz SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr. Auf ihre Anfrage hin hat sich der Bundesrat bereit erklärt, in einem Bericht zu prüfen, was die Schweiz im Kampf gegen den Kapitalverlust der Entwicklungsländer beitragen kann.
Fehr: Transparenz schaffen
Fehr hat konkrete Vorstellungen, welche Massnahmen darin aufgeführt werden sollten: So könnte die Schweiz nach ihren Worten den automatischen Informationsaustausch auch mit Entwicklungsländern einführen – um Transparenz für die Behörden zu schaffen. Fehr verweist zugleich auf den Beschluss Grossbritanniens von Anfang Woche für ein öffentlich einsehbares Register, dass die Geschäftsbeziehungen der Rohstofffirmen transparent machen soll.
Bis der Geldabfluss aus den Entwicklungsländern reduziert wird, kann es allerdings dauern. Denn bisher konnte man sich bei der OECD noch nicht einmal auf eine genaue Definition des Begriffs «unlautere Finanzströme» einigen.