Die Zeiten, als es in den USA bloss die Klassiker Swiss, American und Cheddar zu kaufen gab, und dies zum Schrecken der Touristen aus Europa bloss in Scheibenform, sind längstens vorbei. Heute gibt es im ganzen Land Kleinkäsereien, die Spezialitäten herstellen, die den Vergleich mit Produkten aus Frankreich oder der Schweiz nicht scheuen müssen.
Das sei nicht immer so gewesen, sagt Käsehändler Michael Bowers, der an seinem Stand im Eastern Market in Washington D.C. 350 verschiedene Sorten feilbietet. Hartkäse aus Vermont, Ziegenkäse aus Virginia sowie weitere Spezialitäten aus New York, West Virginia und Kalifornien. «Bowers Fancy Dairy Products» gibt es seit 1964 – und in dieser Zeit habe sich einiges geändert, sagt Michael Bowers: «Am Anfang musste ich guten Käse aus Europa importieren. Heute beziehe ich viel Produkte von lokalen Käsereien.»
Konzerne fügen künstlich Käse bei
Das Angebot scheint zu munden. Der Käsekonsum in den Vereinigten Staaten ist zwar leicht geringer als in der Schweiz, doch seit den 1970er-Jahren rasant angestiegen – plus ein Drittel. Heute sind es 15 Kilogramm pro Kopf. Allerdings, sagt Michael Moss, der preisgekrönte Nahrungsmittel-Reporter der New York Times: Spezialitäten wie die in der Auslage von Michael Bowers hätten zu diesem Anstieg nur wenig beigetragen: «Wenn man in New York oder Kalifornien lebt, kann man diesen Eindruck bekommen. Doch der deutliche Anstieg des Käsekonsums ist auf die Massenprodukte zurückzuführen – und auf industriell gefertigte Käseprodukte.»
Viele Amerikaner essen aber auch Käse, ohne dass sie es realisieren. Er ist versteckt in zahlreichen Fertigprodukten der Nahrungsmittelindustrie, nicht nur in den Pizzen im Tiefkühlregal. Moss hat für sein Buch «Salt, Sugar, Fat» recherchiert, wie die Nahrungsmittelkonzerne ihren Produkten künstlich Käse beifügen. Käse nicht als Käse, sondern als Zutat oder Zusatz. Denn die Food-Forschung hat herausgefunden, dass den Konsumenten Produkte mit etwas extra-Käse besonders schmecken. Das steigert den Absatz der Firmen, oft aber auch den Bauchumfang der Konsumenten.
Seit Präsident Ronald Reagan kauft der Staat die Überschüsse der Molkerei-Branche zwar nicht mehr mit Steuergeldern auf. Aber dafür gibt es seither jedes Jahr Millionensummen aus der Staatskasse für das Käsemarketing.
Dieses sogenannte «Check-off»-Marketing-Programm gilt als grosser Erfolg, weiss Michael Moss: «Es ist einer der Hauptgründe, warum heute mehr Käse gegessen wird.» Zum Programm gehört auch, dass neue Verwendungszwecke für Käse gesucht werden. Einer hat sich nicht nur in den Restaurants durchgesetzt: Käse in der Pizzakruste etwa. Oder bereits vorgefertigte Käsewürfel im Supermarkt. Denn auch daheim streuen heute immer mehr Amerikaner Käsekrümel über den Salat.