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Legende: Kosten des Grauens: Die ökonomischen Konsequenzen der Taten des «Islamischen Staates» sind enorm. Keystone

Wirtschaft Was Terror die Terrorisierten kostet

Der Schmerz steht im Vordergrund. Die terroristischen Attacken auf Orte der Freude in Paris lassen Rationalität in den Hintergrund treten. Die wirtschaftliche Dimension des Terrors allerdings ist immens. Ökonomen haben das Ausmass untersucht, das Leid und Zerstörung nach sich ziehen.

Frankreich trauert. Weltweit nehmen Menschen Anteil. Noch stehen die Kosten, die solcher Terror verursacht, nicht im Vordergrund. Doch bald schon wird sich das ändern: Wo soll die Sicherheit ausgebaut werden? Mit wie vielen Mitteln? Und aus welchen Quellen?

Ökonomisch betrachtet erhalten die Taten des so genannten «Islamischen Staats» eine weitere Dimension. Terror-Attacken ziehen Kosten nach sich. François Heisbourg, Vorsitzender des Internationalen Instituts für strategische Studien IISS in London, rechnet mit einem unmittelbaren Einbruch im Tourismus. Frankreich – das Land, in das weltweit Jahr für Jahr am meisten Touristen reisen; viele werden sich fragen, ob man sich dort noch bewegen kann, ohne sich Gefahr auszusetzen.

Budgeterhöhung für Inneres und Verteidigung

«Daesh» statt «IS»

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François Heisbourg nennt den IS, wie viele seines Landesgenossen, «Daesh». Dahinter steht einerseits die Verweigerung, dem «Islamischen Staat» seine eigene Bezeichnung als Staat nachzureden. Gleichzeitig ähnelt er arabischen Begriffen mit negativer Bedeutung und ist daher Zeichen der Gegnerschaft des IS.

«Ich denke allerdings, dass das vorübergehend sein wird, solange weitere Attacken ausbleiben», sagt François Heisbourg im Interview mit «ECO». Gleichzeitig weist er darauf hin, dass sich die Attacken im Staatshaushalt Frankreichs auswirken werden. «Man wird die Mittel für den Inlandgeheimdienst sowie militärische Eingriffe im Lande erhöhen müssen. Das bedeutet mehr Verteidigungsbudget – und sicher auch mehr Mittel für das Innenministerium.»

Ginge es nach ihm, würde er das Budget des Innenministeriums verdoppeln und jenes des Verteidigungsministeriums um 1 bis 2 Prozent anheben. Es ginge um etwas mehr als eine Milliarde Euro. «Das sind Beträge, die absolut machbar sind – auch wenn es einem Land wirtschaftlich gerade nicht sehr gut geht.» Angesichts der Null- oder gar Negativzinsen an den Finanzmärkten gäbe es auch keinen Grund, das Geld aus anderen Bereichen abzuziehen. Man könne schlicht mehr aufnehmen.

Verhaltensänderungen haben ökonomische Konsequenzen

Tim Krieger, Wirtschaftsprofessor an der Universität Freiburg im Breisgau, hat bereits nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo im Januar in «ECO» auf die indirekten Kosten hingewiesen, die Terror-Attacken verursachen. Sie seien um ein Vielfaches grösser.

«Es sind Kosten, die wie Sand im Getriebe der Volkswirtschaft wirken, die über rein ökonomische Dinge hinausgehen», sagte er. «Wenn sich Menschen insgesamt weniger wohl fühlen, weniger glücklich sind – auch das sind Kosten, die zwar schwer ökonomisch zu messen sind, zumindest in den typischen Kategorien eines Ökonomen, aber sie sind da.» Menschen verändern ihr Verhalten. Sie vermeiden Aktivitäten oder konsumieren weniger.

Syrien: Ein Dutzend verlorene Milliarden

All dies mutet kaum tiefgreifend an, richtet man den Blick auf die Länder des Nahen Ostens, in denen sich der so genannte «Islamische Staat» ausgebreitet hat und in denen er wütet. Eine Studie der Weltbank kommt zum Schluss, dass der wirtschaftliche Schaden für diese Länder 35 Milliarden US-Dollar betrage. Allein ein Drittel davon fällt auf Syrien.

Weltbank-Studie

«Die Zerstörung ist gross», sagt Mit-Autorin Elena Ianchovichina. Sie ist Chefökonomin für den Nahen Osten und Afrika bei der Weltbank. «Da sind einerseits der Verlust von menschlichem Leben und die grossen Flüchtlingsströme aus dem Land. Es verkleinert die Bevölkerung und mindert die Produktivität. Auch das Embargo der westlichen Länder hatte natürlich negative Konsequenzen auf die Wirtschaft.»

Syrien hat nach Angaben der Studie 20 Prozent seiner Bewohner verloren, 20 Prozent seiner finanziellen Mittel sollen vernichtet worden sein, und die Sozialausgaben pro Kopf sollen um 14 Prozent abgenommen haben. Noch gravierender wird das Szenario, wenn man sich die Veröffentlichung der Studie vor Augen hält: Sie ist bereits ein Jahr alt – und damit vor dem «Flüchtlingsjahr 2015» entstanden.

Mitarbeit: Andreas Kohli, Silvan Lerch

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