SRF: Kommt für Sie der Freispruch überraschend?
Peter V. Kunz: Der Freispruch als solches kommt nicht überraschend. Die Staatsanwaltschaft, welche die Beweislast hatte, vermochte kaum etwas Direktes gegen Raoul Weil vorzubringen. Was für mich hingegen überraschend kommt, ist die Eindeutigkeit des Freispruchs und die Geschwindigkeit. Offensichtlich haben sich alle zwölf Geschworenen für einen Freispruch ausgesprochen. Die Verteidigung musste nicht einmal eigene Zeugen aufrufen. Das ist eine schallende Ohrfeige für die amerikanische Staatsanwaltschaft.
Was bedeutet das Urteil für die ehemalige Arbeitgeberin von Raoul Weil, die UBS?
Für die UBS bedeutet das Urteil direkt nichts, denn die Grossbank war nicht Teil des Verfahrens. Die UBS hat sich schon vor Jahren in einem Vergleich mit den USA geeinigt. Doch ging es natürlich auch um die Reputation der UBS. Immerhin war ihr ehemaliger Spitzenmanager angeklagt. Der Freispruch ist daher positiv für die Grossbank. Wäre Weil verurteilt worden, hätte das belegt, dass die Nummer drei der früheren UBS ein Krimineller gewesen ist.
Können nun aufgrund dieses Urteils auch andere Banken und deren Mitarbeiter aufatmen?
Nein, denn das Urteil betrifft ausschliesslich Raoul Weil. Die anderen Banker haben nach wie vor ihre juristischen Probleme. Ich denke sogar, dass die amerikanische Staatsanwaltschaft diese Niederlage fast ein bisschen persönlich nehmen wird. Sie hat nun ein echtes Imageproblem.
Es wurde vor dem Prozess sehr viel Stimmung gemacht. Man hat gesagt, der Fall sei eindeutig und man habe Dutzende von Zeugen und vier Millionen Seiten an Dokumentation. Faktisch hat man also durch die Medien und vermutlich auch durch die Staatsanwaltschaft eine Art Vorverurteilung angestrebt. Das ist also eine Niederlage für die Staatsanwaltschaft. Ich wäre nicht überrascht, wenn jetzt mit Vollgas ein weiterer Angeklagter gesucht würde.
Wird das US-Justizdepartement aufgrund der Schlappe künftig nicht eher vorsichtiger sein, Bankmanager vor Gericht zu ziehen?
Der Berg hat nur eine Maus geboren und es wäre wohl klug, wenn künftig Staatsanwaltschaften erst anklagen, wenn sie klare Beweise haben. Ob das in den USA tatsächlich so läuft, ist eine andere Frage. Im Zweifel wird angeklagt.
Weil war nach dem Freispruch erleichtert. Er konnte es aber nicht lassen, mit seinen ehemaligen Arbeitskollegen, die gegen ihn ausgesagt hatten, abzurechnen. Er kritisierte, dass Banker in den USA das Bankgeheimnis brechen und Geldwäsche zugegeben würden, in der Schweiz aber dann nichts passiere. Stimmt das?
Es stimmt, dass bis jetzt in der Schweiz nichts passiert ist. Aber es stimmt nicht, dass diese Personen, die als Kronzeugen in den USA ausgesagt haben, in der Schweiz straflos bleiben müssten. Es liegt nun an den zuständigen Schweizer Behörden, sich zu überlegen, ob sie tatsächlich diese Banker ihrerseits büssen möchten.
Dass dies bis anhin nicht der Fall war, erkläre ich mir vor allem aus psychologischen Gründen. Vermutlich wollten die Schweizer Behörden keinen Streit mit den amerikanischen Behörden. Nach diesem Freispruch wäre ich aber nicht überrascht, wenn die zuständigen Behörden in der Schweiz gegen diese Kronzeugen in der Schweiz ermitteln würden. Juristisch wäre das möglich.
Das Gespräch führte Iwan Santoro.