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Wirtschaft Wie die Abgas-Tricksereien bei Volkswagen aufflogen

Es klingt, je nach Standpunkt, wie ein (Schauer-)Märchen: Mitglieder einer kleinen Non-Profit-Organisation entlarven die Trickserei eines milliardenschweren Automobilherstellers – und bringen den Riesen ins Wanken. Dabei war die Enthüllung eine Art Betriebsunfall.

Eigentlich ging es darum, die Dieselfahrzeuge in den Vereinigten Staaten als Musterschüler hinzustellen – als Vorbilder, als die, die allen zeigen, dass sauberer Diesel nicht nur ein flotter Werbespruch ist.

So auf jeden Fall lautete die Übungsanlage, die sich die weitgehend unbekannte amerikanische Non-Profit-Organisation «International Council On Clean Transportation» (ICCT) ausgedacht hatte.

Der ICCT, der sich mit seinen rund 30 Angestellten stark macht für sauberere Autos, hatte bei Abgastests in Europa nämlich festgestellt, dass die dortigen Dieselautos die Luft ziemlich stark verpesten. Warum also nicht Dieselfahrzeuge in den USA testen? Die Vorschriften sind viel strenger als in Europa.

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Und wenn sie in den USA eingehalten werden können, dann sollte das erst recht in Europa möglich sein. So liesse sich der Druck auf die Autokonzerne erhöhen, schadstoffärmere Dieselfahrzeuge auch für den europäischen Markt zu produzieren. Soweit, so gut.

Eigene These widerlegt

Die Tests führte der ICCT zusammen mit der Universität von West Virginia durch, die hatten die entsprechenden Messsysteme. Testfahrer fuhren die Fahrzeuge von San Diego die ganze US-Westküste hoch bis nach Seattle, mehr als 2000 Kilometer. Einige Modelle bestanden die Probefahrt.

Doch die Fahrzeuge von Volkswagen überschritten die Schadstoffgrenzen drastisch: «Wir waren überrascht, dass unsere Hypothese nicht richtig war», sagt ICCT-Direktor Drew Kodjak gegenüber Radio SRF. «Und wir waren, ehrlich gesagt, auch etwas enttäuscht.» Und verwirrt. Denn es war nicht ganz klar, warum die Fahrzeuge von Volkswagen die Abgaswerte bei offiziellen Emissionstests nicht überschritten, unter Echt-Bedingungen auf der Strasse hingegen schon.

Deshalb informierte die Organisation ICCT die zuständigen Behörden in Kalifornien und in Washington D.C. Deren Techniker fanden dann heraus, dass es eine spezielle Software in diesen Autos war, mit deren Hilfe die Messung des Schadstoffausstosses manipuliert wurde. Das heisst: Die Luftverschmutzung war beim normalen Fahrbetrieb offenbar viel höher als bei den Abgastests gemessen wurde.

Folgenschwere Enthüllung

Was folgte, ist bekannt: Rückruf von 500‘000 VW-Dieselfahrzeugen, Image-Schaden, und ein Verfahren, das Volkswagen sehr teuer zu stehen kommen könnte. Eine kleine Organisation brachte den Fall also ins Rollen. Ohne den ICCT wäre die US-Umweltbehörde den Manipulationen wohl nie auf die Schliche gekommen.

ICCT-Direktor Drew Kodjak hält sich mit Kritik an den US-Behörden dennoch zurück: Diese verfüge nicht über ein riesiges Budget und viel Personal. Der Skandal ist für ihn deshalb auch aus einem anderen Grund wichtig: Vielleicht zeige der Fall Volkswagen auch, dass mehr getan werden müsse, um sicherzustellen, dass die Schadstoff-Grenzwerte nicht nur in der Fabrik, sondern auch auf der Strasse eingehalten werden.

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