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Wirtschaft Wiedereinstieg in den Beruf: Leichter gesagt, als getan?

Fachkräftemangel – dieses Schlagwort wurde seit dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative zum Damokles-Schwert der Wirtschaft hochstilisiert. Nicht mehr genügend Fachkräfte aus dem Ausland beiziehen zu können, sei eine Bedrohung. Trend sprach darüber mit der Wirtschaftsprofessorin Gudrun Sander.

Eine Frau mit einem Kleinkind und an einem Laptop.
Legende: Die Verbindung von Familie und Beruf ist für Frauen nicht einfach. imago/symbolbild

SRF News: Seit Jahren geht die Angst um, dass der Schweiz ein Fachkräftemangel droht – seit dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative erst recht. Warum tut die Privatwirtschaft trotzdem fast nichts in diese Richtung?

Gudrun Sander: Der Leidensdruck ist immer noch nicht gross genug. Sie sehen ja, dort wo’s wirklich weh tut, wird auch bereits etwas gemacht, zum Beispiel im Pflegebereich: Dort gibt es Bemühungen, den Wiedereinstieg zu fördern, Weiterbildungen anzubieten, dass die Lücken geschlossen werden können. Die grossen internationalen Firmen haben hingegen immer noch die Möglichkeit auszuweichen und ausländische Fachkräfte anzustellen.

Trotzdem betonen diese Firmen ja nur zu gern, dass bei den Frauen noch viel Potenzial liege – und es geschieht nichts!

Aus einer volkswirtschaftlichen Sicht ist das eine wahnsinnige Ressourcenverschwendung, wenn heute über 50 Prozent der Frauen Tertiärabschlüsse machen, und nachher nur 30 Prozent zum Beschäftigungsvolumen beitragen. Was ich sehe, ist ein Umdenken bei den Firmen bezüglich Flexibilität: das hilft nicht nur Frauen, sondern auch älteren Mitarbeitern und Männern mit Betreuungspflichten. Das hilft, um das Potenzial besser zu nutzen.

Der Leidensdruck ist immer noch nicht gross genug.
Autor: Gurdrun Sander-Mühlebacher Wirtschaftsprofessorin Uni St. Gallen

Was bräuchte es denn, um die Frauen tatsächlich zurückzubringen in den Beruf?

Zur Person

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Porträt Eva Gudrun Sander-Mühlbachler
Legende: pd

Die gebürtige Österreicherin Eva Gudrun Sander-Mühlebachler ist Titularprofessorin für Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen. Sie engagiert sich vor allem für Frauen in der Wirtschaft. So initierte sie zum Beispiel eine Kinderkrippe an der Uni mit einem einzigartigen Finanzierungsmodell.

Das eine sind so genannte Returnships, wie sie die Credit Suisse anbietet: Firmen können den Wiedereinstieg erleichtern und Frauen vorübergehend einen Coach zur Seite stellen. Und Firmen können flexiblere Modelle anbieten, mit dem Bewusstsein, dass wenn eine Frau mit 40 Jahren in den Beruf zurückkehrt, dass sie noch locker 25 bis 30 Jahren im Beruf bleiben kann. Da lohnt es sich doch, in die Einarbeitungszeit zu investieren! Aber sehr oft fehlt dazu die Zeit. Die Jungen schickt man einfach durch ein standardisiertes Trainee-Programm, während Wiedereinsteigerinnen unterschiedliche Bedürfnisse haben. Das ist aufwändiger.

Glauben Sie, das wird jetzt Schule machen? Credit Suisse ist die erste grössere Institution, die das jetzt anbietet.

Ich könnte mir schon vorstellen, dass einige Firmen nachziehen.

Ist es denn in der Schweiz überhaupt lukrativ für Frauen, wieder in den Beruf einzusteigen, steuerlich beispielsweise?

Das Steuersystem, das Kinderbetreuungssystem hält Frauen eher fern aus dem Beruf, vor allem in höheren Pensen, die ja von den Firmen eigentlich gefragt wären. Es braucht also eine andere Motivation. Uns sagen die gut qualifizierten Frauen alle unisono, sie seien froh, endlich mal wieder den Kopf zu gebrauchen, ihre Fähigkeiten einzubringen, sei eine grosse Befriedigung.

Die Jungen schickt man einfach durch ein standardisiertes Trainee-Programm, während Wiedereinsteigerinnen unterschiedliche Bedürfnisse haben.
Autor: Gudrun Sander Wirtschaftsprofessorin Uni St. Gallen

Inwiefern sind die Frauen auch selbst schuld, wenn sie mehrere Jahre bewusst weggeblieben sind aus dem Beruf?

Ganz so reflektiert wird der Entscheid wegzubleiben oft nicht getroffen. Oft wird der Stress am Arbeitsplatz mit der Kinderbetreuung zusammen zu gross, und der Mann verdient ohnehin gut, da gönnen sich manche Frauen eine Auszeit, die sich dann mehrere Jahre hinzieht. In dieser Zeit sinkt dann auch das Selbstvertrauen.

Jetzt noch zur anderen Gruppe, die mit Blick auf den Fachkräftemangel besser integriert werden soll: das sind die älteren Arbeitnehmenden. Inwiefern muss man dort anders vorgehen?

Die Älteren muss man nicht zurückholen, die will man einfach länger im Beruf behalten. Wenn Sie bedenken, dass in den meisten Firmen die Karrieren ab 45 Jahren in etwa stagnieren, dann frustriert das die Mitarbeitenden, die dann ja noch 20 Jahre lang ohne grosse Perspektiven im Beruf bleiben müssen. Hier müssen Firmen flexiblere Karrierepfade aufzeigen, flexiblere Ausstiegsmodelle, oder Wissenspartnerschaften zwischen Älteren und Jüngeren, was allerdings mit Kosten verbunden ist. Das haben einige Firmen probiert, dann aber aus Kostengründen wieder abgeschafft.

Bemüht sich Privatwirtschaft mehr darum, Ältere im Unternehmen zu halten als Frauen zurückzuholen?

Im Moment liegt der Fokus eher bei den Frauen als bei den Älteren. Bei den Älteren wissen die Firmen noch weniger genau, wie sie das anpacken sollen, um das Wissen im Unternehmen zu behalten.

Die Älteren muss man nicht zurückholen, die will man einfach länger im Beruf behalten.
Autor: Gudrun Sander Wirtschaftsprofessorin Uni St. Gallen

Woran liegt das, dass Firmen bei der Frauenförderung weiter sind als bei den älteren Mitarbeitenden?

Das Thema «ältere Mitarbeiter» wird noch nicht so lange bewirtschaftet, und da sind auch noch nicht so viele brauchbare Modelle erprobt.

Was bräuchte es denn für die älteren Personen?

Firmen könnten vermehrt immer wieder während der Karriere Standortbestimmungen machen, neue Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man ein und denselben Job bis am Schluss macht, ist Null. Und teilweise muss man auch bei den Salären ansetzen: wenn es kontinuierlich lohnmässig immer bergauf geht, ist es schwierig, dann plötzlich zwei Schritte zurückzumachen. Sobald es nach Abschieben riecht, wird es schwierig. Da ist die Frage, was man für neue Bilder hat in Bezug auf lebenslanges Lernen, lebenslange Entwicklungen und Karrieren.

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