Als Werner Scheidegger vor bald 60 Jahren mit dem Bio-Landbau begann, gab es noch kaum Fachliteratur für die Bauern, keine Beratung oder Richtlinien. «Ich musste riskieren, ausgelacht zu werden», sagt Scheidegger heute. Die damaligen Bio-Pioniere seien als «Ballenberg-Bauern» bezeichnet worden – als solche, die noch wie zu Grossvaters Zeiten bauern wollten.
Gleichzeitig wurden in den 1960er-Jahren die Nachteile eines übermässigen Chemie-Einsatzes in der Landwirtschaft immer deutlicher. Dazu habe unter anderem das 1962 erschienene Buch «Der stumme Frühling» von Rachel Carson beigetragen, sagt Scheidegger. Die Biologin beobachtete, dass in intensiv bearbeiteten Obstbau-Gebieten die Vögel verschwanden. In den Folgejahren stiess die Bio-Bewegung in der Schweiz auf immer breitere Akzeptanz.
Bundesamt wollte «bio» verbieten
Schliesslich habe Hans Müller – eine prägende Figur der Jungbauernbewegung und Bio-Pionier – 1971 versucht, das Label «bio» für landwirtschaftliche Produkte einzuführen. Eine hochrangige Expertengruppe beim Bundesamt für Gesundheit habe den Antrag geprüft – und abgelehnt. Im Bericht habe gestanden: «Das Wort «bio» im Zusammenhang mit Lebensmitteln ist zu verbieten», sagt Werner Scheidegger. «Da sind wir natürlich auf die Barrikaden gegangen.»
Als Folge des ablehnenden Entscheids hätten sich alle damaligen Bio-Organisationen der Schweiz an einen Tisch gesetzt und gemeinsame Richtlinien aufgestellt, erklärt Scheidegger. 1981 hätten sich schliesslich alle Bio-Bauern in der Schweiz unter dem Dach von Bio-Suisse vereint. In jener Zeit wurde beim Bundesamt für Geistiges Eigentum auch die Knospe als Label für Schweizer Bio-Produkte geschützt.
Scheidegger ist auch heute noch überzeugt, dass der Bio-Landbau für die Ernährung der Menschen in Zukunft eine wichtige Rolle einnehmen wird. Er verweist auf die Folgen der traditionellen Landwirtschaft: Hunderttausende Quadratkilometer Ackerland weltweit seien bereits verloren gegangen. Sie versteppten oder wurden zu Wüsten «weil nicht ökologisch gewirtschaftet wurde», so Scheidegger. «Wir müssen dafür sorgen, dass die Böden fruchtbar bleiben.»
Was Schweine fressen, isst auch der Mensch
Bio-Kritiker sagen, die Erträge der Bio-Landwirtschaft seien zu klein, um eine weiter wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Für Scheidegger spielt in dieser Frage aber der weltweit zunehmende Fleischkonsum die Hauptrolle: «Wenn vom Getreidekorn fast die Hälfte in den Schweinetrog geht, hat das nichts mehr mit der Produktion zu tun.» Es sei klar, dass die Menschen langfristig weniger Fleisch essen müssten. Denn Hühner und vor allem Schweine stünden in Nahrungs-Konkurrenz zum Menschen. «Was die fressen, isst auch der Mensch: Gerste, Weizen – eigentlich fast alles.»