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Bunte Figuren
Legende: Stütze oder Last für die AHV? Seit 2007 sind jährlich rund 70'000 Arbeitskräfte – und damit AHV-Beitragszahler – in die Schweiz eingewandert. Colourbox

Wirtschaft Zuwanderung wird die AHV auf lange Sicht belasten

Mehr erwerbstätige Einwanderer bedeuten mehr Einnahmen für die AHV. Ohne die Zuwanderung würde das wichtige Schweizer Sozialwerk heute finanziell deutlich schlechter dastehen, heisst es. Das ist richtig, aber kurzfristig betrachtet. Denn die AHV hat auch eine Ausgabenseite.

Die verstärkte Einwanderung qualifizierter Personen helfe, die AHV finanziell zu stabilisieren, so eine gängige Meinung. Ohne die niedergelassenen erwerbstätigen Ausländer wäre die finanzielle Lage des Sozialwerks heute deutlich schlechter, argumentiert auch das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV). «Die Zuwanderung hilft der AHV, indem sie uns mehr Zeit gibt, uns auf die Folgen der demografischen Entwicklung einzustellen und sozialverträgliche Lösungen zu schaffen», sagt BSV-Direktor Jürg Brechbühl.

Kurzfristig gesehen stimmt das. Doch es ist nicht zu Ende gedacht. Denn die AHV hat zwei Seiten: Einnahmen und Ausgaben. «Die Ausgaben wachsen schneller als die Einnahmen», sagt der emeritierte Finanzprofessor und Pensionskassenberater Martin Janssen, «und wenn noch mehr Leute einwandern, werden die Ausgaben noch schneller wachsen als die Einnahmen. Insgesamt wird die AHV durch die Zuwanderung nicht stabilisiert, sondern destabilisiert.»

Nur sehr hohe Einkommen sind positiv für AHV

Tatsache ist: Nur die ganz hohen Einkommen – ob von Schweizern oder Ausländern – leisten zur AHV einen Netto-Beitrag. Personen mit tiefen, mittleren und sogar überdurchschnittlichen Löhnen erhalten wegen der steigenden Lebenserwartung mehr Renten, als sie und ihre Arbeitgeber Beiträge einbezahlt haben. Eine volle, maximale AHV-Rente erhält derzeit, wer rund 84‘000 Franken verdient hat, lückenlos Beiträge bezahlt hat und sich mit 65 Jahren pensionieren lässt. Nach 11 Jahren ist der «Break-even-Punkt» erreicht, der Punkt also, an dem er mehr Geld erhält, als er und seine Arbeitgeber zuvor einbezahlt haben. Schweizer und Schweizerinnen beziehen im Schnitt 20 Jahre lang Rente.

Die Einkommensverteilung, die das Bundesamt für Statistik auf Anfrage von «ECO» erstellt hat, zeigt zudem, dass die niedergelassenen Ausländer, trotz verstärkter Zuwanderung von Hochqualifizierten, in den tieferen Einkommensklassen stärker vertreten sind als Schweizer. Hinzu kommt, dass gerade hochqualifizierte Zuwanderer sehr mobil sind. «Auf eine kurze Formel gebracht, kann man sagen, dass die Hochqualifizierten kommen und gehen und die Niedrigqualifizierten kommen und bleiben», sagt Professor George Sheldon von der Universität Basel. Aus finanzieller Sicht betrachtet, ist das für die AHV eher ein Nachteil.

Geldströme nicht transparent

Eine genaue Kalkulation darüber, wie sämtliche künftige Einnahmen und Ausgaben der AHV aussehen, hat das BSV bislang nicht erstellt. Dazu müssten die Geldströme mit einem Zins auf die Gegenwart heruntergerechnet werden – auf den so genannten Barwert. «Ich frage mich, ob es sinnvoll ist, in einem Umlageverfahren wie der AHV mit Barwerten von Beiträgen und Leistungen zu rechnen», meint Jürg Brechbühl. Denn die AHV zahlt von den Beiträgen, die sie pro Jahr einnimmt, gleich wieder die Renten an ihre Empfänger aus.

Das sei aber zu wenig transparent, findet Martin Janssen. Die AHV habe schon heute eine grosse Schuld von mehreren hundert Milliarden Franken, und diese Gesamtschuld werde durch die Zuwanderung grösser und nicht kleiner, sagt er.

Von der Zuwanderung profitiert die heutige Generation von AHV-Rentnern. Die junge Generation dürfte dabei das Nachsehen haben.

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