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Zulassung von Medikamenten Medikamente werden oft breiter zugelassen als sie getestet wurden

Eine Studie zeigt, dass Medikamente oft für Bevölkerungsgruppen zugelassen werden, die nicht klinisch getestet wurden.

Darum geht es: Jünger als 60, keine Begleiterkrankungen oder keine früheren Therapien: Für klinische Studien gibt es oft klare Ausschlusskriterien. Nur eine bestimmte Personengruppe wird inkludiert. Damit werden aber auch nur für diese Gruppe die Wirksamkeit und mögliche Nebenwirkungen eines Medikaments bestimmt. Arzneimittel werden aber von den Behörden oft für eine breitere Bevölkerungsgruppe zugelassen. Dies zeigt eine neue Studie.

Die Studie: Ein internationales Forschungsteam um Kerstin Vokinger, Rechts- und Medizinprofessorin an der Universität Zürich und der ETH Zürich, hat die Zulassungen von Medikamenten untersucht. Sie wollten feststellen, wie oft sich eine getestete Personengruppe für klinische Studien von der später für ein Medikament zugelassenen Bevölkerungsgruppe unterscheidet. Angeschaut wurden alle 278 Medikamente, die zwischen 2012 und 2023 in der Schweiz, der Europäischen Union sowie in den Vereinigten Staaten zugelassen wurden. Die Ergebnisse sind deutlich.

Die Ergebnisse: Beispielsweise wurden bei der klinischen Studie zu einem Medikament gegen den schwarzen Hautkrebs Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen oder Organschaden ausgeschlossen. Das Medikament wurde aber danach auch für Menschen mit solchen Vorerkrankungen zugelassen. In allen untersuchten Kategorien und bei allen drei Zulassungsstellen wurden Medikamente breiter zugelassen als getestet. Am deutlichsten sind die Resultate bei der Patientenfitness, also dem allgemeinen Wohlbefinden von Patienten. Bei fast allen Medikamenten gab es Unterschiede. Erkrankte, die das zugelassene Medikament erhalten, haben teilweise ein deutlich schlechteres Grundwohlbefinden, als die Menschen in der Testgruppe.

An diesen Patientengruppen wurde das Medikament nicht getestet. Das macht es schwierig, vorherzusagen, wie gut das Medikament wirkt und was Nebenwirkungen sein können.
Autor: Kerstin Noëlle Vokinger Professorin, Universität Zürich und ETH Zürich

Das Problem: Für gewisse Gruppen gibt es somit keine gesicherten Daten zu Wirksamkeit und Nebenwirkungen. Dazu sagt Vokinger: «An diesen Patientengruppen wurde das Medikament nicht getestet. Das macht es schwierig, vorherzusagen, wie gut das Medikament wirkt und was Nebenwirkungen sein können.» Es kann also vorkommen, dass ein Medikament schlechter wirkt oder dass Nebenwirkungen auftreten, die noch nicht bekannt waren.

Die Reaktion: Die Schweizer Zulassungsbehörde Swissmedic ist sich dieser Diskrepanz bewusst. Gleichzeitig wird betont, es sei wichtig, dass Medikamente für möglichst viele Patientinnen und Patienten zugänglich sind. Eveline Trachsel, die Leiterin des Bereichs Zulassung bei Swissmedic, erklärt: «Auch wenn wir die Zulassung nicht einschränken, diesbezüglich werden diese Daten immer in der Fachinformation erwähnt. Dies erlaubt dem behandelnden Arzt oder der Ärztin im Gespräch mit dem Patienten wirklich auch einen Entscheid zu fällen, der auf dieser Information beruht.» Swissmedic und weitere europäische Behörden haben aber jüngst die Industrie aufgefordert, klinische Studien besser auf verschiedene Patientengruppen abzustimmen.

Weitere Informationen zur Studie

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Untersucht wurden sämtliche Medikamente, die zwischen 2012 und 2023 sowohl in der Schweiz, der Europäischen Union und in den Vereinigten Staaten zugelassen wurden. Anhand von fünf Kategorien wurde untersucht, ob sich die Testgruppe von den später für die Medikation zugelassenen Bevölkerungsgruppen unterscheidet. Die Kategorien sind Alter, Krankheitssubtyp, Krankheitsschwere, Patientenfitness und frühere Therapien. Die Studie durchgeführt hat ein Forscherteam der Universität Zürich, der ETH Zürich sowie der Universitäten Yale und Harvard.

Die ganze Studie finden Sie unter diesem Link.

Tagesschau, 17.7.2025, 19:30 Uhr ; 

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