Es ist Halbjahressaison, viele Schweizer Unternehmen veröffentlichen derzeit die Ergebnisse des zweiten Quartals. Zeit für eine Bestandsaufnahme: Wie geht es der Industrie inmitten von Zoll-Chaos und Unsicherheit? Einen ersten Hinweis lieferte jüngst das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco mit seiner Erstschätzung zum Bruttoinlandsprodukt. Demnach ist die Schweizer Wirtschaft im zweiten Quartal 2025 kaum gewachsen, das BIP stieg lediglich um 0.1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Die Industrieproduktion ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum sogar um 0.1 Prozent gesunken, wie das Bundesamt für Statistik heute mitteilte.
Dass sich die Schwierigkeiten häufen, zeigte sich auch ganz konkret in den Unternehmenszahlen. Vor allem drei Problemfelder stechen heraus:
1. Flaute in Europa
Die anhaltend schwache Nachfrage im europäischen Ausland setzt vielen Industrieunternehmen zu. Sie verzeichnen sinkende Umsätze, mehrere sind inzwischen sogar in die roten Zahlen gerutscht. Besonders die Automobilzulieferer leiden unter der Krise im Fahrzeugbereich. Ein deutliches Beispiel: der Automobilzulieferer Feintool aus Lyss. Feintool verzeichnete schon im vergangenen Jahr einen Verlust, und nun zeigt sich, dass die Krise anhält. Der Umsatz ging um gut 14 Prozent zurück, das Unternehmen ist in den roten Zahlen. Auch der Luzerner Maschinenbauer Komax, ein Hersteller von Kabelverarbeitungsmaschinen, steckt in der Krise: Umsatzrückgang um gut 13 Prozent im ersten Halbjahr, Gewinneinbruch um mehr als 40 Prozent. Komax leidet ebenfalls unter dem schwachen Automarkt. Nach Stellenstreichungen im Vorjahr will die Firma weiter abbauen: 200 Stellen von insgesamt 3400 sollen weltweit wegfallen.
2. US-Zölle
Der Zollsatz von 39 Prozent, den US-Präsident Donald Trump am 1. August gegen die Schweiz verhängt hat, galt zwar im zweiten Quartal 2025 noch nicht. Doch die Unsicherheit, die von den vielen Zolldrohungen und -verhandlungen ausgeht, beherrscht die Weltwirtschaft schon seit Monaten. Unsicherheit ist schlecht fürs Investitionsklima und damit schlecht für Firmen, die teure Maschinen oder Technologien herstellen – wie ein bedeutender Teil der Schweizer Industrie. Zu diesem Klima kommt nun noch die konkrete Zollbelastung hinzu. Den US-Basiszoll von zehn Prozent seit April habe man vollständig an die Kunden weitergeben können, hiess es etwa vom Kabelverarbeiter Komax. Das sei bei den jetzt geltenden 39 Prozent nicht mehr möglich. Produktion und Exporte dürften im laufenden Quartal also noch mehr unter Druck geraten.
3. Starker Franken
Die Schweizer Währung gilt als sicherer Hafen, wenn es geopolitisch und damit auch wirtschaftlich turbulent wird. Die Folge: Der Franken wertet sich auf. Für exportorientierte Schweizer Unternehmen ist das ein Problem, denn der praktisch seit Jahren starke Franken macht ihre Produkte im Ausland teurer und schwächt damit die Nachfrage – zusätzlich zum schwierigen Investitionsklima und den Zöllen in den USA. Der Schweissmaschinenbauer Schlatter aus Schlieren zum Beispiel nennt den starken Franken gegenüber dem Dollar explizit als belastenden Faktor bei seinen Halbjahresergebnissen. Der Autozulieferer Feintool hat wegen der Wechselkursprobleme bereits letztes Jahr angekündigt, seine Grossserienproduktion aus der Schweiz nach Tschechien zu verlagern. So hat Feintool weniger Kosten in Franken.