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Zürich Junkietown
Aus DOK vom 18.06.2015.
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50 Jahre Stiftung Contact Die wilden Zeiten der Drogenhilfe sind vorbei

Grosse, offene Drogenszenen wie der Platzspitz in der Stadt Zürich oder der Kocherpark in Bern sind in der Schweiz seit über 30 Jahren nicht mehr existent. Was jedoch nicht verschwunden ist, ist die Sucht. Sie ist nach wie vor präsent und wird es vermutlich auch immer bleiben.

Seit es die Menschheit gibt, existiert die Sucht. Und sie hat viele Gesichter. Sei es der Konsum von Tabak, Alkohol, Drogen oder auch bei Geld- und Glücksspielen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Um Betroffenen zu helfen und Abhängigkeiten einzudämmen, existieren zahlreiche Organisationen und Institutionen. Eine davon ist die Stiftung für Suchthilfe Contact im Kanton Bern, welche dieses Jahr auf ihr 50-jähriges Bestehen zurückschauen darf.

Im Vodergrund ist ein Zaun und im Hintergrund die Anlaufstelle des Contacts mit Graffitis an den Wänden.
Legende: Die Anlaufstelle der Stiftung Contact in Bern an der Hodlerstrasse. Stiftung CONTACT

Über die letzten fünf Jahrzehnte hinweg spielte die Stiftung eine wichtige Rolle in suchtpolitischen Diskussionen und ist bis heute Schnittstelle zwischen Drogenpolitik und Praxis.

Angebote der Stiftung Contact

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Die Angebote von Contact fördern die Gesundheit, persönliche Kompetenzen und die soziale Integration von Menschen mit einer Drogen- oder einer schweren Alkoholabhängigkeit im Kanton Bern.

  • Anlaufstelle: Die Anlaufstelle bietet suchtmittelabhängigen Menschen leicht zugängliche Hilfe und einen Raum für soziale Kontakte.
  • Arbeit: Die Stiftung bietet Menschen mit Suchtmittelproblemen und psychosozialen Schwierigkeiten betreute Arbeitsplätze und Tagesstruktur an
  • Mobil: Contact Mobil bietet suchtgefährdeten und substanzenabhängigen Menschen Information, Beratung und Begleitung im öffentlichen Raum.
  • Nightlife: Menschen mit einem problematischen Konsum von Freizeitdrogen wird hier Information und Kurzberatung vor Ort angeboten.
  • Suchtbehandlung: Die Stiftung bietet Menschen mit einer Abhängigkeit eine ambulante substanzgestützte Behandlung.
  • Wohnen: Betroffene Personen bekommen Hilfe im Wohnalltag. In der eigenen Wohnung oder in einer Wohngemeinschaft

Mehr Informationen zu den Angeboten der Stiftung Contact finden Sie hier.

Wilde Zeiten

Seit sich unterschiedliche Institutionen dem Thema der Suchthilfe angenommen haben, hat sich enorm viel getan. Gerade in den 80er- und 90er-Jahren war vieles noch spontaner und wilder.

Menschenmenge auf Wiese in schwarz-weiss, welche am Drogen konsumieren sind.
Legende: Öffentliche Drogenszene auf dem Platzspitzareal in Zürich, aufgenommen im Juni 1990. KEYSTONE/Martin Ruetschi

In dieser Zeit gab es mit der offenen Drogenszene ein grosses Problem, welches für die ganze Gesellschaft sichtbar war. Wie in der Gesellschaft, ging auch bei der Stiftung Contact noch alles spontaner, einfacher und wilder zu und her.

«Wir machten Aktionen und hatten auch Auseinandersetzungen mit der Politik und der Polizei. Damals hatte man noch keinen gemeinsamen Konsens. Es gelang uns, spontan diverse Projekte auf die Beine zu stellen», sagt der stellvertretende Geschäftsleiter der Stiftung Contact Carl Müller.

Heute habe sich dies alles eingependelt, sei viel strukturierter und die verschiedenen Akteure sind sich einig über die Ausrichtung der Drogenpolitik und -arbeit.

Verschiedene Randständige sitzen am Boden, lesen Zeitung und am Schlafen. Links im Bild sieht man einen Polizisten.
Legende: Die Drogenszene am ehemaligen Bahnhof Letten in Zürich 1994. Der Letten wurde in Spitzenzeiten von über tausend Drogenkonsumentinnen und -konsumenten besucht. Am 14. Februar 1995 wurde diese letzte offene Drogenszene in Zürich polizeilich geschlossen. KEYSTONE/Martin Ruetschi

Grund für diese Einigung sei sicherlich auch die bundesweite Einführung der Vier-Säulen-Politik. Dazu gehören die Pfeiler Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression.

Die Schweizer Drogenpolitik setzt sich mit diesen Abgrenzungen zum Ziel, den Drogenkonsum und seine negativen Folgen für die Konsumierenden und die Gesellschaft nachhaltig zu vermindern. «Es ist nun wie ein grosser ruhiger Fluss, welcher aber nach wie vor fliesst», meint Carl Müller. Natürlich müsse man sich aber stetig am Puls der Zeit anpassen.

Die Vier-Säulen-Politik

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Repression, Prävention und Therapie: Das war bis in die 1990er-Jahre das Fundament der Schweizer Drogenpolitik. Als sich zeigte, dass diese Massnahmen gerade im Kampf gegen die Heroinsucht nicht ausreichten, setzte man zusätzlich auf den vierten Pfeiler Schadensminderung. Diese sogenannte Viersäulenpolitik wurde 2008 gesetzlich verankert.

Mehr Informationen zur Vier-Säulen-Politik des Bundes finden Sie hier.

Keine Gesellschaft ohne Sucht

Auch wenn man in der Suchthilfe heutzutage sehr fortschrittlich unterwegs ist, wird sie immer relevant bleiben: «Das Problem ist im Moment noch nicht gelöst und wird auch nie gelöst sein. Die Sucht ist ein Bestandteil der Menschheit», meint Carl Müller.

Man könne sie aber so organisieren, dass es für das Individuum, wie auch für die Gesellschaft, gut funktioniere. Dies sei unter anderem auch eine Aufgabe von ihrer Stiftung.

Die Sucht ist ein Bestandteil der Menschheit.
Autor: Carl Müller Stellvertretender Geschäftsleiter Stiftung Contact

Obwohl das Thema Sucht uns als Gesellschaft seit jeher begleitet, beschäftigt man sich mit dem Thema erst, wenn man selbst damit konfrontiert wird. «Die Personen, welche zu uns in die Beratungen kommen, sprechen meist sehr offen über das Thema Konsum und Sucht. Ansonsten denke ich aber, dass das Thema Substanzkonsum und Abhängigkeit nach wie vor sehr stigmatisiert ist.» Das sagt Joël Bellmont, welcher als stellvertretender Teamleiter im Drogeninformationszentrum Zürich arbeitet.

Es sei für viele Personen immer noch eine grosse Hürde, sich bei einem Abhängigkeitsverdacht Unterstützung durch Fachpersonen zu holen.

Drogeninformationszentrum Zürich (DIZ)

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Das Drogeninformationszentrum (DIZ) ist für die Stadtzürcher Bevölkerung da und bietet Folgendes an:

  • Drug Checkings
  • Beratungen in den eigenen Büros, wie auch unterwegs in der Stadt Zürich
  • Betreibung von saferparty.ch, die meistbesuchte Website zum Thema Freizeitdrogenkonsum.

Durch Angebote wie jene von Contact in Bern und dem Drogeninformationszentrum in Zürich kann man betroffene oder gefährdete Personen viel früher erreichen und ihnen Hand bieten. Szenen wie am Platzspitz oder im Kocherpark in Bern gehören mitunter durch ihr Zutun zum Glück der Vergangenheit an. 

Die Experten

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Carl Müller ist Leiter Dienste und Stellvertretender Geschäftsleiter der Stiftung für Suchtberatung CONTACT in Bern. Er ist seit über 30 Jahren bei der Stiftung tätig und hat die Zeit der offenen Drogenszene hautnah miterlebt.

Joël Bellmont ist stellvertretender Teamleiter im Drogeninformationszentrum Zürich. Er ist dort seit acht Jahren als Sozialarbeiter tätig.

SRF 1, Morgengast, 27.07.2023 um 7:15

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