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Gegen offene Drogenszene Chur soll im Winter ein «Fixerstübli» erhalten

Die Lage rund um die offene Drogenszene hat sich verschärft. Daher will die Bündner Stadt bereits im Winter einen Konsumraum einrichten.

Koks in Zürich, Crack in Genf, Heroin in Bern: Diese Problemherde des Drogenkonsums sind bekannt. Doch die wohl grösste offene Drogenszene des Landes nebst Genf befindet sich mittlerweile in Graubünden, mitten in Chur. Im Stadtgarten prägen Drogensüchtige und Alkoholkranke das Bild. Bis zu 120 Menschen treffen sich hier regelmässig, um «Base» zu rauchen. Das ist chemisch verarbeitetes Kokain, welches durch Aufkochen mit Ammoniak in freie Base umgewandelt wird.

Viele Einwohnerinnen und Einwohner des Bündner Hauptorts machen einen grossen Bogen um den Stadtgarten – und fordern Massnahmen gegen die Drogenszene sowie die damit einhergehende Kriminalität. Denn im Gegensatz zu anderen Städten verfügt Chur nur über eine Heroinabgabe an Schwerstsüchtige.

Offene Drogenszene führt zu mehr Kriminalität

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Die florierende Drogenszene im Bündner Kantonshauptort schlägt sich auch in der Kriminalstatistik nieder. So haben Delikte gegen das Strafgesetzbuch in Chur im Jahr 2022 um 43 Prozent zugenommen im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz hat sich im selben Zeitraum um 19 Prozent erhöht. Seit 2020 steigt auch die Zahl der Diebstähle in der Stadt kontinuierlich an, allein von 2021 auf 2022 um zehn Prozent. Gemäss Mitteilung der Kantonspolizei hängt die Deliktzunahme bei strafbaren Handlungen vor allem mit der Beschaffungskriminalität der wachsenden Drogenszene zusammen, welche «den Konsum über Delikte finanziere».

Tanzen die Menschen im Churer Stadtgarten der Polizei auf der Nase herum? Andri Müller, Chef Ermittlungsdienste der Kantonspolizei Graubünden, verneint. «Aufgabe der Kantonspolizei ist die Strafverfolgung. Das heisst, wir ermitteln die Täter eines Delikts und weisen die Personen der Strafverfolgung zu.» Dass dies funktioniere, zeige sich eben auch in der hohen Aufklärungsquote im Bereich der Beschaffungskriminalität.

Das soll sich jetzt schneller ändern als gedacht: Nachdem das Churer Stadtparlament im Juni 2022 einen Millionenkredit für einen dreijährigen Pilotbetrieb bewilligt hatte, war die Rede davon, dass das Gassenzimmer zwischen 2024 und 2026 realisiert werden könne. Nun soll der Konsumraum bereits im kommenden Winter eingerichtet sein.

Die Situation rund um den Stadtgarten sei noch schlimmer geworden, sagt der Churer Sozialdirektor Patrik Degiacomi. Im öffentlichen Raum würden immer mehr Drogen konsumiert und die Zahl der Konsumenten steige kontinuierlich.

«Wir wollen den Konsumraum für Drogen daher bereits auf den Winter 2023/2024 einrichten», betont Degiacomi. Nach einer passenden Liegenschaft im Stadtzentrum suche man noch. Neben dem städtischen Konsumraum will der Kanton Graubünden eine Kontakt- und Anlaufstelle einrichten.

Einige Etappen der Schweizer Drogenpolitik

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  • 1924: Das erste Betäubungsmittelgesetz (BetmG) verbietet Opium und Kokain. 1951 wird das Verbot auf Cannabis ausgedehnt, der Eigenkonsum bleibt legal.
  • Ende 1970er-Jahre: Aufkommen der offenen Drogenszenen in Zürich und Bern. Diese werden Anfang 1990er-Jahre geschlossen (Zürich Letten 1995).
  • 1991: Der Bundesrat verfolgt die Vier-Säulen-Strategie von Prävention, Therapie, Schadensverminderung und Repression.
  • 1992: Der Bundesrat bewilligt die ärztlich kontrollierte Heroinabgabe an 250 Abhängige. Bis 1996 werden bei über 1000 Menschen Versuche mit der kontrollierten Abgabe von Heroin, Morphin und Methadon durchgeführt.
  • September 1997: Die Volksinitiative «Jugend ohne Drogen», die eine repressive Drogenpolitik fordert, wird an der Urne mit 71 Prozent Nein verworfen.
  • November 1998: Die Volksinitiative «Droleg – für eine vernünftige Drogenpolitik», die auf Drogenlegalisierung abzielt, wird mit 73 Prozent Nein verworfen.
  • Juni 1999: Der Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin wird an der Urne mit 54.3 Prozent Ja akzeptiert.
  • 2001 bis 2004: Der Bundesrat schlägt eine BetmG-Revision vor, die den Cannabiskonsum straffrei machen soll. Diese scheitert 2004 an der zweimaligen Eintretensverweigerung des Nationalrats.
  • 2008: Eine neue Vorlage zur BetmG-Revision , die die Cannabis-Konsumfrage ausklammert, wird vom Parlament angenommen. Rechtskonservative Kreise ergreifen das Referendum.
  • November 2008: Volksabstimmung über die BetmG-Revision (angenommen mit 68.1 Prozent) und die «Hanf-Initiative» , die Straffreiheit für den Cannabis/Hanf-Konsum verlangt (abgelehnt mit 63 Prozent).
  • Seit 2021: Der Bundesrat denkt über eine Anpassung der Drogenpolitik nach und darüber, den Konsum aller Drogen straffrei zu machen. Seit 2022 laufen Pilotversuche für die kontrollierte Cannabisabgabe (Basel, Zürich und Lausanne). In Bern, Luzern und Biel wird für eine Studie ab Herbst 2023 Cannabis verkauft.

Beim Ambulatorium Neumühle, welches opiatabhängige Menschen behandelt, ist man über den Fortschritt erfreut. «Ich erhoffe mir vom Konsumraum, dass er zu einer Beruhigung des Gewaltpotenzials führt und dass junge Leute vermehrt vom Drogenkonsum abgehalten werden, indem sie einen anderen öffentlichen Raum aufsuchen können», sagt Betriebsleiterin Margreth Meier. Dennoch werde das «Fixerstübli» alleine die Probleme nicht lösen.

Dessen ist sich auch der Bündner Regierungsrat Marcus Caduff bewusst. Ein bisschen ironisch sei es schon, dass ausgerechnet der Staat, der den Konsum von Drogen verbietet, nun einen Ort für den Drogenkonsum schaffe. «Der Konsumraum ist aber nur eine von vielen verschiedenen Massnahmen, die notwendig sind», so Caduff.

Mit dem «Fixerstübli» will Chur den Drogenkonsum in einen kontrollierten Rahmen verlagern. Darüber hinaus sollen die Strafverfolgungsbehörden mehr Mittel erhalten. Dafür hat Sozialdirektor Patrik Degiacomi im Grossen Rat mit weiteren Politikerinnen und Politikern einen Vorstoss eingereicht, um die Bündner Regierung mit Massnahmen gegen die Beschaffungskriminalität der Drogenszene zu beauftragen.

Mehr dazu in «Schweiz aktuell» und bei RTR

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Mehr dazu sehen Sie heute in der Sendung «Schweiz aktuell» um 19 Uhr auf SRF 1 sowie morgen Mittwoch um 17:35 Uhr bei RTR.

Schweiz aktuell, 20.06.2023, 19 Uhr

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