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Covid-19-Gesetz: wichtig für die Pandemiebekämpfung?
Aus Forum vom 11.11.2021. Bild: Keystone
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Abstimmungsdebatte Faktencheck zum Covid-19-Gesetz

Über das Covid-19-Gesetz wird heftig debattiert. Die Argumente aus dem Forum haben wir einem Faktencheck unterzogen.

Das SRF-Netzwerk Faktencheck hat die Sendung Forum begleitet und ausgewählte Behauptungen geprüft.

Diskussionssendung «Forum»

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Über die revidierte Version des Covid-19-Gesetzes diskutierten wir mit den Hörerinnen und den folgenden Gästen:

  • Contra: Josef Ender, Unternehmer aus dem Kanton Schwyz und Sprecher des Aktionsbündnisses Urkantone. Er wehrt sich gegen das Gesetz, weil es unnötig und diskriminierend sei und zu einer Zweiklassengesellschaft von Geimpften und Ungeimpften führe.
  • Pro: Lukas Engelberger, Gesundheitsdirektor des Kantons Basel-Stadt und Präsident der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren. Er kämpft für das Gesetz, weil es das kleinere Übel sei als andere Massnahmen und weil damit ein weiterer Shutdown verhindert werden könne.

    Aufhebung der Massnahmen

Josef Ender ist der Meinung, die Massnahmen müssten eigentlich schon jetzt aufgehoben werden. Im Gesetz stehe, sobald alle Impfwilligen geimpft seien, würden diese aufgehoben.

SRF-Netzwerk Faktencheck: Das stimmt nicht. So steht es nicht im Gesetzestext. Wörtlich heisst es im zur Abstimmung stehenden Gesetz unter Artikel 1a, Abschnitt 2: «Ist der impfwillige erwachsene Teil der Bevölkerung ausreichend geimpft, so sind die Kapazitätsbeschränkungen für öffentlich zugängliche Einrichtungen und Betriebe sowie Veranstaltungen und private Zusammenkünfte aufzuheben. Angemessene Schutzkonzepte sind möglich, sofern sie verhältnismässig sind.»

Konkret geht es hier um die Kapazitätsbeschränkungen, nicht um die Massnahmen im Allgemeinen. Schutzkonzepte, die zum Beispiel eine Zugangsbeschränkung mit Impfzertifikat beinhalten können, bleiben möglich, auch wenn alle Impfwilligen geimpft sind.

Spitalauslastung mit Corona-Patienten

Josef Ender erwähnt während der Diskussion mehrfach eine Spitalauslastung von 80%, mit aber nur 2%  Corona-Patienten.

Die Aussage ist grösstenteils korrekt, wobei die Auslastung der Spitäler und der Anteil der Corona-Patienten zurzeit ansteigt. Laut dem Corona-Dashboard des BAG liegt die Auslastung der Spitalbetten mittlerweile bei rund 85% und der Anteil der Corona-Patienten bei 2,5%. Kantonal ist die Auslastung aber sehr unterschiedlich: In Uri sind 54,3% der Betten belegt, in Neuenburg und Solothurn liegt die Auslastung bei mehr als 95%. Die Intensivbetten sind zu 75,8% ausgelastet mit einem Anteil von 14,1% Corona-Patienten. Ebenfalls gibt es hier regional grosse Unterschiede. (Stand 10.11.2021)

Kein Abbau von Intensivbetten

Lukas Engelberger betonte, dass keine Intensivbetten während der Pandemie abgebaut worden seien. Dies wurde von Josef Ender und einem Hörer in den Raum gestellt.

Stimmt. Auf den ersten Blick sieht es zwar im Dashboard des BAG nach einem Abbau von Intensivbetten aus. Das BAG weist auf eine unvollständige Datenlage hin. Diverse Medien haben dieses Thema schon aufgegriffen. Eine Analyse der NZZ kommt zum Schluss, dass die Anzahl der zertifizierten Betten auf Intensivpflegestationen (IPS) bei rund 870 Betten gleichgeblieben ist – mit Schwankungen.

Am Anfang der Pandemie befanden sich die Spitäler in einem «Krisenmodus». Es wurden «Ad Hoc»-Intensivbetten geschaffen. Zertifizierte und «Ad Hoc»-Betten wurden zusammengezählt, so dass eine hohe Anzahl kommuniziert wurde. Die «Ad Hoc»-Betten haben nicht die gleichen Qualitätsstandards.

Streitfall Contact Tracing

Wegen des Contact Tracings müsse jeder ein digitales Gerät mit sich führen und auch der Datenschutz fehle beim Contact Tracing, behauptet Josef Ender.

Das stimmt nicht. Zwar steht im Text zur Abstimmung des Covid-Gesetzes nichts zum Datenschutz beim Contact Tracing, allerdings ist dieses schon im Epidemien-Gesetz und den dazugehörigen Verordnungen geregelt. Auch die Installation sowie die Nutzung der SwissCovid App ist explizit freiwillig. Im Unterschied dazu ist der Datenschutz beim Zertifikat im Covid-19-Gesetz ausdrücklich erwähnt und geregelt unter Art. 6a. Das Zertifikat kann auch ausgedruckt verwendet werden.

Zu guter Letzt sind sowohl Contact Tracing als auch Zertifikat temporär. Sobald die SwissCovid App nicht mehr erforderlich ist, muss sie deaktiviert und deinstalliert werden. Beim Zertifikatssystem endet die Gültigkeitsdauer per Ende 2022, wie das BAG gegenüber der Republik bestätigte.

Psychische Erkrankungen bei Kindern

Die Gesundheit von Kindern ist immer wieder Thema. Josef Ender streicht heraus, dass doppelt so viele Kinder suizidgefährdet sind wie vor Beginn der Pandemie.

Das stimmt grösstenteils. Ganz aktuelle Zahlen von Pro Juventute, die SRF vorliegen, zeigen fast doppelt so viele Beratungen zum Thema Suizid: 2019 waren es drei bis vier Fälle pro Tag, 2021 sieben. Auch bei den psychiatrischen Notfällen im Kanton Zürich sind die Zahlen signifikant gestiegen, wie eine Recherche von SRF zeigt.

Impfzertifikat im Ausland

Lukas Engelberger sieht eine Verschlechterung der Reisemöglichkeiten, sollte es kein staatliches Impfzertifikat mehr geben.

Es ist kompliziert. Die Auswirkung einer Ablehnung des Covid-Gesetzes auf die Nutzung des Zertifikats bei Reisen ins Ausland ist umstritten. Schon bestehende Impfzertifikate behalten auch bei einer Ablehnung des Gesetzes ihre Gültigkeit (inkl. Gültigkeitsdauer von aktuell einem Jahr). Sie können bei Auslandsreisen weiterhin genutzt werden, zum Beispiel für Restaurantbesuche oder Flugreisen. Was nach dem Auslaufen der Gültigkeit bei einer weiterhin anhaltenden epidemischen Lage gilt, ist noch ungewiss.

Video
Aus SRF News vom 11.11.2021.
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Radio SRF 1, Forum, 11.11.2021, 20 Uhr;

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