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Inklusion und Sprache Wie spricht man richtig über Behinderung? Eine Expertin klärt auf

Rund 1,8 Millionen Menschen in der Schweiz leben mit einer Behinderung. Sie wollen im Alltag einbezogen sein und respektvoll angesprochen werden. Am Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung erklärt die Expertin für Kommunikation und Inklusion, Saphir Ben Dakon, weshalb Sprache dafür zentral ist.

Saphir Ben Dakon

Expertin für Kommunikation und Inklusion

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Saphir Ben Dakon ist Behindertengleichstellungsaktivistin und lebt selbst mit einer Hirnverletzung. Die 31-jährige Zürcherin ist Expertin für Kommunikation und Inklusion. Saphir Ben Dakon ist auch Vizepräsidentin von Agile, dem Dachverband der Selbsthilfe- und Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderungen.

SRF: Bei welchen Ausdrücken und Wörtern, die Leute im Gespräch sagen, zucken Sie innerlich zusammen?

Saphir Ben Dakon: Menschen mit Beeinträchtigung, Menschen mit Special Effects, Menschen mit speziellen oder anderen Bedürfnissen oder handicapiert.

Was ist denn die richtige Ansprache?

Menschen mit Behinderung. Der Begriff stammt aus der UN-Behindertenrechtskonvention und beschreibt wertneutral eine Lebensrealität: Menschen leben längerfristig mit einer Beeinträchtigung und werden behindert, weil die Umwelt nicht barrierefrei ist.

Man sollte immer die Selbstbezeichnung der Menschen akzeptieren und respektieren.

Bist du behindert oder bist du ein Mensch mit Behinderung? Da gibt es Nuancen. Was ist die korrekte Form?

Man sollte niemanden fragen: Bist du behindert? Menschen nutzen unterschiedliche Selbstbezeichnungen – von handicapiert bis spezielle Bedürfnisse. Der Begriff Behinderung gehört vor allem in den Fachdiskurs. Wenn ich die Selbstbezeichnung nicht kenne, spreche ich das Thema gar nicht an, sondern frage nach dem Zugang. Etwa: Ich habe gesehen, dass etwas schwierig ist. Wie kann ich unterstützen? Wie kommst du einfacher in den Bus?

Menschen mit Beeinträchtigung, wie man es in den Medien immer wieder liest oder hört, ist demnach falsch. Richtig wäre Menschen mit einer Behinderung.

Genau.

Fände ich es cool, wenn man mich ansprechen würde und fragt: Bist du behindert? Man sollte den Perspektivenwechsel machen.

Finden das alle oder gibt es welche, die sagen: Ich bin ein Mensch mit Beeinträchtigung?

Das gibt es immer. Auch in den Disability Studies, den Studien über die Lebensrealität von Menschen mit Behinderungen, sagt man: Selbstbezeichnungen sind immer zu akzeptieren. Wenn man eine Beziehung zu Menschen hat und mit ihnen über über das Thema Behinderung spricht, sollte man unbedingt immer die Selbstbezeichnung der Menschen akzeptieren und respektieren.

Was können nicht behinderte Menschen mitnehmen? Was ist der richtige Weg für eine gute Kommunikation?

Erst fragen, wenn man eine Beziehung hat. Und sonst immer nach Zugang fragen. Das ist das, was ihr in der Gesellschaft machen könnt. Man muss nicht meinen Körper flicken aber nach Zugängen fragen. Wo ist die nicht vorhandene Hindernisfreiheit? Da hat die ganze Gesellschaft eine Verantwortung. Und danach kann man fragen.

Im Moment machen wir bei der inklusiven Sprache wieder einen Rückschritt.

Sie sagen, Inklusion fängt bei der Sprache an. Vieles haben wir erklärt. Gibt es noch Potenzial? Wo können wir noch besser aufpassen?

Ich glaube, man muss sich überlegen, wie es wäre, selber in dieser Situation zu sein. Fände ich es cool, wenn man mich ansprechen würde und fragt: Bist du behindert? Man sollte den Perspektivenwechsel machen.

Wie hat sich das Ganze in den letzten Jahren verändert? Ist die inklusive Sprache besser geworden oder ist sie immer noch auf einem relativ bescheidenen Level?

Seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention vor zehn Jahren hat sich die Sprache verbessert, auch wenn wir damals spät dran waren. Im Moment machen wir jedoch wieder einen Rückschritt. Dabei haben sich internationale Aktivistinnen und Organisationen auf den Fachbegriff Menschen mit Behinderung geeinigt. Bei Nachhaltigkeit erfinden wir ja auch keine neuen Wörter.

Das Gespräch führte Sven Epiney.

Radio SRF 1, Morgengast, 03.12.2025, 7:15 Uhr ; 

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