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Fragen und Antworten «Kriege ich Geld, wenn ich meinen Kirschlorbeer ausreisse?

Jochen Elbs-Glatz, Silvia Meister und Sara Stolz haben Ihre Fragen zu Neophyten im Chat beantwortet.

Expertenrunde

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Porträts der Expert:innen.
Legende: v.l.n.r. Jochen Elbs-Glatz, Silvia Meister und Sara Stolz. zVg, Bildmontage: SRF

Jochen Elbs-Glatz Agrarbiologe, Agrarhistoriker und Gärtner Gartenrat, Frauenfeld

Silvia Meister Fachfrau für Garten- und Landschaftsbau, Gartenfachfrau im Ratgeber «Natur» bei Radio SRF Silvia Meister , Fulenbach

Sara Stolz Dipl. Gärtnermeisterin Stolz Naturgarten , Bäriswil

Chat-Protokoll

Bezüglich Lorbeergewächse meine Frage: der Kampferbaum ist auch ein Lorbeergewächs. Gibt es für den Kampferbaum Vorschriften, oder ein Pflanzverbot im speziellen im Tessin? Welche Pflanzen darf man im Tessin nicht mehr pflanzen?

Silvia Meister: Der immergrüne Kampferbaum (Cinnamomum camphora) gehört zu den Lorbeergewächsen und ist mit dem Zimtbaum nahe verwandt. In Locarno stehen drei alte, prächtige Kampferbäume mit über 7 Metern Stammumfang, sie sind circa 150 Jahre alt. 

Einige Exemplare sind bereits im Tessin aufgetaucht, er ist also ein Neophyt – gehört jedoch  `noch` nicht zu den invasiven Neophyten. Im Tessin hat es bereits viele invasive Neophyten, Sie finden die Liste `Liste der invasiven und potenziell invasiven Neophyten der Schweiz` auf der Homepage infoflora.ch . Dort sind die Neophyten nach Gegend unterteilt – sie dürfen nicht mehr gesetzt werden und sind im Handel auch nicht erhältlich.

Wir freuen uns, dass unser Garten aus fast ausschliesslich einheimischen Pflanzen besteht und gut gedeiht. Auf der Liste sah ich heute beim Check, dass der Hartriegel drauf ist. Wir haben Hartriegel, in der Meinung, er sei einheimisch. Können Sie mich aufklären und informieren, was wir machen sollen/sollten mit unseren Hartriegeln?

Sara Stolz: Bei der Gattung Cornus/ Hartriegel gibt es sehr viele verschiedene Arten. Einige davon sind einheimisch, andere nicht. Bei den einheimischen Gehölzen gibt es Cornus mas / Tierlibaum Cornus sanguinea / blutroter Hartriegel Beides sind für unsere Tierwelt wertvolle Pflanzen da sie offene Blüten mit Nektar haben und dazu noch Beeren ausbilden. Der Cornus sanguinea ist eine starkwachsende Art, welche sich auch kräftig von alleine ausbreitet ( über Wurzelausschläge und Samen), Quasi invasiv, aber eben einheimisch, zu unserer Biodiversität dazugehörend. Deshalb sollte der Cornus sanguinea nur an wirklich grossen Standorten gepflanzt werden, wo er Platz hat. Der Cornus mas ist eine wunderbare Gartenpflanze, durch seine Hitzeverträglichkeit ist er ein tolles Gehölz auch für die wohl zukünftig trockenen Sommermonate. Er kann gut in Form geschnitten werden, als Strauch oder auch als grossen Baum gezogen werden. Seine frühe Blüte ist für unsere Insektenwelt ein Segen. Nun zu dem verbotenen Hartriegel: Cornus sericea / weisser Hartriegel oder seidiger Hornstrauch stammt aus Nordamerika. Er ist im Wuchs sehr ähnlich wie der Cornus sanguinea, hat jedoch nur grüne Zweige ( Cornus sanguinea hat rötlich überfärbte Zweige mit grüner Grundfarbe). Cornus sericea ist ebenfalls extrem wüchsig und verbreitet sich schnell über Samen und Wurzelausschläge. Er verdrängt grossflächig sogar andere Gehölze und trägt so dazu bei, dass bestehende, artenreiche Wildhecken nach und nach zu einer Monokultur aus Cornus sericea werden. Es gibt 16 Schmetterlingsarten, welche für Ihre Raupen den Cornus sanguinea als Futterpflanzen benötigen, diese können den Cornus sericea leider nicht fressen.

Mein Nachbar entsorgt seit vielen Jahren riesige Mengen Grünabfall in den umliegenden Wäldern/Waldrändern. Ich möchte aber noch länger in Frieden hier leben. Das Haus gehört uns ja. Es ärgert mich gewaltig, und ich wünsche mir, dass er mal erwischt und gebüsst wird. Aber die Chancen, dass da jemand im Wald aufpasst und das ahndet sind gering, oder?

Jochen Elbs-Glatz: Mit Nachbarn ist es immer schwierig. Das Deponieren von Gartenabfällen ist klar verboten. Aber wessen ist der Abfall, wenn er im Wald liegt, und man das Abladen selbst nicht dokumentieren konnte. Vielleicht überwinden sie sich zu einem Gespräch über die Segnungen des Kompostierens. Viel Erfolg!

Mir ist aufgefallen, dass sich in den letzten Jahren auf gerodeten Waldstellen, an Bachläufen etc. sehr rasch Brombeergebüsch ausbreitet und in kurzer Zeit undurchdringlich wird. Die Beeren sind ungeniessbar sauer (für uns) – nicht für die Vögel. Ist die Sorte Brombeere einheimisch oder «eingeschleppt»?

Silvia Meister: Es gibt sehr viele heimische Brombeeren, sie haben meist sehr kleine Früchte und sind manchmal etwas fad, manchmal sauer. Die exotische Armenische Brombeere (Rubus armeniacus) ist ein invasiver Neophyt und verwildert aus den Gärten...die Sorte `Theodor Reimers` lässt da leider grüssen.... sie steht heute auf der Inverkehrbringungs-Verbotsliste, sie darf also nicht mehr verkauft werden. Im Wald sieht die heimische Schlanke Brombeere (Rubus praecox) der Armenischen Brombeere ähnlich, der Unterschied: die Blüten der Armenischen Brombeere sind stets leicht rosa und die Triebe haben auch lebhaft rosa Stacheln. Vielleicht hilft Ihnen dieser Hinweis etwas weiter – ansonsten finden Sie die Armenische Brombeere und die heimischen Brombeerarten auf der Homepage infoflora.ch unter dem Gattungsnamen`Rubus`.

Wieso darf man keine Zierlupinen mehr kaufen? Z.b. die Westcountryserie bilden keine keimfähigen Tochterpflanzen/Samen – die Ausbreitung kann innerhalb des Gartens ja bestens kontrolliert werden – resp. ich habe seit Jahren solche Lupinen und sie haben sich nirgends ausgesamt oder wären «gewandert» – ausserdem baut man ja auch schon Süsslupinen an (ist eine andere botanische sorte) – aber könnte sich doch so auch ausbreiten.

Sara Stolz: Die Lupine / Lupinus polyphyllus stammt ursprünglich aus Nordamerika. Sie wurde in Europa oft gepflanzt, durch Ihre farbigen und langlebigen Blüten ist es eine tolle Gartenpflanze. Leider verbreitet sich die Lupine sehr stark auch ausserhalb der Gärten. Mit ihrem kräftigen Wachstum verdrängt sie in der freien Natur die dort einheimische Vegetation. Zudem hat die Lupine noch eine spezielle Eigenschaft: Sie sammelt Stickstoff aus der Luft und gibt ihn an den Boden ab. Dies bringt unsere einheimischen Pflanzen noch stärker unter Druck, da die meisten nur sehr wenig Stickstoff benötigen, und somit quasi überdüngt werden und an diesem Standort absterben. Nun das Argument, dass diese eine spezielle Sorte keine Samen ausbildet: man sieht das schön am Beispiel der Goldrute: da wurden von allen Seiten grosse Anstrengungen unternommen um die Goldrute zurückzudrängen, war auch schon einigermassen erfolgreich. Daraufhin wurde eine Sorte gezüchtet, welche Steril sei, diese wurde für den Verkauf zugelassen. Ab sofort war es für Privatpersonen quasi unmöglich zu unterscheiden, ob es nun eine böse oder eine gute Goldrute ist. Und voila, die Goldrute ist wieder an vielen Standorten präsent. Es ist erlaubt, aus den gemachten Fehlern zu lernen, desshalb wurde die Lupinus polyphyllus als gesamte Art auf die Liste gesetzt.

Wir haben bei uns auf der Liegenschaft die Mohrenhirse festgestellt. Wie schlimm ist diese, und was kann man gegen sie am effektivsten tun?

Jochen Elbs-Glatz: Alle Hirsen sind sehr ausbreitungsfreudig. Sie keimen am Licht. Sobald die Samen etwas unter die Erde geraten, warten sie bis sie wieder zutage kommen. Also den Boden möglichst wenig bewegen und das Aufkeimende flach mit der Pendelhacke abtrennen. Ein Dichter Pfanzenbestand nimmt Licht und hindert die Keimung. Im Rasen mäht man hoch 6cm so, dass die Grashalme die Hirse beschatten und nicht umgekehrt.

In meiner Erfahrung ist das Wissen bei den Gemeinden bereits hoch, hingegen kaum vorhanden bei grossen Privatgrundbesitzenden: Firmen und Immobilienverwaltungen kümmern sich überhaupt nicht. Ich wohne zur Miete in einer Wohnüberbauung und die Gemeinde hat den Vermieter dazu aufgefordert, den Japanknöterich auf dessen Privatgrund (auch noch direkt am Bach!) zu bekämpfen – jedoch ohne Erfolg. Was kann hier getan werden?

Silvia Meister: Von Gesetzes wegen nichts – es ist ein Privatgrundstück....jedoch mit konkreten Beispielen, Kreativität und einem Lächeln sehr viel: z.B. dem Vermieter einen Blumenstrauss aus heimischen Pflanzen (Wasserdost, Wasserminze, Blutweiderich), welche natürlicherweise dem Bach entlang wachsen, überbringen oder ihn darauf hinzuweisen, dass er auch ein Vorbild sein könnte und für dies geachtet würde? Oder eine gemeinsame Aktion zur Räumung mithilfe der Gemeinde zu starten und Vereine mit ins Boot holen?

Auf meiner Terrasse steht ein Topf mit einer Aster mit lila kleinen Blüten. Ich würde gerne wissen, ob dies ein Neophyt ist.

Sara Stolz: Höchstwahrscheinlich ja. Bei den einheimischen Astern gibt es nur: Aster alpinus ( violet) Aster amellus ( violet) Aster belldiastrum ( weiss) Aster linosyris ( gelb).

Als leidenschaftlicher Landschaftsgärtner kenne ich die Herausforderung mit den invasiven Neophyten. Leider habe ich die Sendung verpasst, denn ich hätte noch einen relevanten Input: Ich muss immer wieder feststellen, dass auf Baulandbrachen oder Grossbaustellen extrem viel wuchert und sich die Eigentümer nicht darum kümmern. Warum auch – sie dürfen vor dem Rollrasen verlegen die Oberbodenschicht mit Glyphosat behandeln! Gibt es dazu nicht ein Gesetz, dass die Bekämpfung der invasiven Neophyten während und vorallem vor dem Bau vorschreibt? Am Geld sollte es ja nicht scheitern, wenn ich die Entlöhnung von uns Gärtnern anschaue! Es ist ein bisschen frustrierend neben solchen Flächen zu jäten.

Silvia Meister: Ja, auf der einen Seite, wenn tatsächlich invasive Neophyten aufkommen ist es frustrierend. Zumal es Gründüngungen gäbe, (Phacelia, Buchweizen oder spezielle Gründungsmischungen) welche den Boden bedecken und das Aufkommen von invasiven Neophyten verhindern können. Es gibt kein Gesetz zur Bodenbedeckung auf Baustellen – wenn jedoch Gartenbauer*innen rechtzeitig hinzugezogen werden, weisen Sie auf dieses Problem hin und es werden Gründüngungen eingesät. Auf der anderen Seite ist diese aufkommende Pflanzengesellschaft sehr spannend – da erscheinen zweijährige Königskerzen, Melden und andere Ruderalpflanzen und für diese heimische Pflanzen ist es ein Glück hat es offenen Boden auf welchem sie genügend Licht und genügend Nährstoffe zum keimen und wachsen haben. Ein Spaziergang durch solch eine Brache mache ich jeweils gerne, sie steckt voller Überraschungen!

Die angebotene Ersatzpflanze für Hecken hat mich zum Schaudern gebracht. EIBE ist wohl eine der sehr gifigen Pflanzen. Ich habe ein Tier sterben sehen – innerhalb weniger Minuten ist das arme Geschöpf mit Schrei – und Körperkrämpfen verstorben.

Silvia Meister: Ja, das ist so: die Eibennadeln und der Samen selber sind giftig für Mensch und Nutztiere. Nur der rote Samenmantel ist ungiftig, jedoch leicht süss – das macht diese Pflanze für Kleinkinder sehr gefährlich, denn sie verschlucken die rote `Beere` (Samenmantel) mitsamt dem giftigen Samen. Den Baumschulen ist diese Problematik bewusst und sie verkaufen nur männliche Eibenpflanzen als Heckenpflanzen. Bei den Nutztieren ist es so, dass Pferde die Eibennadeln sehr gerne fressen und sie können daran sterben. Deshalb wurden im Mittelalter sämtliche Eiben entlang von Strassen gefällt. Es ist also wichtig, entlang von Weidegebieten keine Eibenhecken zu setzen. Dennoch, die Eibe ist eine wunderbare, heimische Heckenpflanze – der Blick über die Landesgrenzen zeigt es: in England gehört sie zu den beliebtesten Heckenpflanzen, dank ihrer Langlebigkeit und Schnittverträglichkeit....und neuere Forschungen zeigen, dass Sie einen Inhaltstoff haben, welcher bei der Krebsbekämpfung eingesetzt wird. Mit dem nötigen Wissen und der nötigen Sorgfalt ist die Eibe eine tolle Heckenpflanze.

Warum wird Eibe als Hecken Ersatz an gepriesen. Sie ist extrem giftig. Nicht nur die Beeren. Die Nadeln sind für Menschen und Tiere auch gefährlich.

Jochen Elbs-Glatz: Die einheimische Eibe Taxus baccata ist eine ideale Heckenpflanze, weil sie auch aus dem alten Holz zuverlässig wieder austreibt. Frei wachsend ernährt sie mit ihren Beeren eine Vielzahl von Vögeln. Die geringe Attraktivität verhindert Vergiftungen, obwohl die Eibe in allen Teilen giftig ist.

Wir haben in Frankreich ein Haus mit viel Umschwung. In den letzten Jahren wurde überall vieles heftig von der kanadischen Brombeere verwachsen. Erst haben wir die Schösslinge geschnitten und mit Garlon bepinselt. Ein immenser Aufwand! Kühe weiden dort und diese fressen die Stauden nicht. Bis heute haben wir den Kampf noch nicht gewonnen. Immer wieder schlagen sie an diversesten neuen Orten Wurzeln. Aktuell haben wir kleine Erfolge mit Abdeckung einer Folie kein Licht). Das hilft recht gut, aber die Folie muss zwischen 1-2 Jahren liegen bleiben. Bei unserem grossen Areal ist es ein anhaltendes Problem. Wir haben in allen Wäldern in der Umgebung (Frankreich, Deutschland und der Schweiz) fast zuschauen können, wie diese Pflanzen alles verwachsen. Für Tier und Mensch im Wald ist das eine Katastrophe.

Jochen Elbs-Glatz: Der Brombeere wird nur der Pickel Herr. Machen sie ein integratives Fest gegen invasive Neophyten. Ein Fass Bier und Merguez für alle. Das kostet wenig und sie sind Ihre Brombeeren los.

Ich habe mir kürzlich überlegt, einen Paulownia / Blauglockenbaum als Sichtschutz und CO2-Fresser in den Garten zu pflanzen. Verzichtet habe ich aus Gehorsam, weil er auf der roten Liste steht, obschon er bisher keine Ansätze von invasivem Wachstum aufweist. Weshalb soll der Baum nicht gepflanzt werden?

Silvia Meister: Die Paulownie (Paulownia tomentosa) verwildert in die Natur und keimt auch in kleinsten Mauerritzen, sie verursacht mit ihren Wurzeln Schäden an Gebäuden und Mauern. Hinzu kommt, dass sie als Jungpflanze sehr grosse Blätter ausbildet und dadurch andere, heimische Pflanzen durch Lichtentzug verdrängt. Sie steht auf der Inverkehrbringungs-Verbotsliste – dieser invasive Neophyt ist deshalb auch nicht mehr erhältlich. Als Alternative bietet sich der einheimische Gemeine Goldregen (Laburnum anagyroides) oder die beiden wunderschönen, heimischen Ahornarten: Schneeballblättriger Ahorn (Acer opalus) und Französischer Ahorn (Acer monspessulanum) an oder als Gartengehölze Magnolien.

Werde ich finanziell unterstützt, wenn ich meinen grossen alten Kirschlorbeer ausreissen lassen möchte. Das ist ja ein grösseres Unterfangen.

Sara Stolz: Auf den ersten Blick: Nein. Es befindet sich auf Ihrem privaten Grundstück. Allerdings gibt es verschiedene Naturschutzorganisationen welche Sie um Unterstützung anfragen können, wenn Sie ein Projekt daraus machen. z.B. an dem danach freien Standort eine Wildhecke pflanzen aus einheimische Wildsträuchern, kombiniert mit einem Asthaufen und Totholz und sich verpflichten, das für die nächsten X Jahre zu pflegen. So kann ich mir vorstellen, dass Sie eventuell tatkräftige Unterstützung erhalten. Am besten nehmen Sie Kontakt auf mit Ihrer lokalen Naturschutzsektion ( z.B via Birdlife).

Wir haben direkt an unser Grundstück ein unbewirtschaftetes Feld, auf dem unkontrolliert alles wächst, sogar Bäume, Sträucher z.B. Kirschlorbeer und sicher auch andere Neophyten. Natürlich haben wir div. Pflanzen, so auch Neophyten in unseren Gärten. Kann die Gemeinde verlangen, dass die Neophyten entfernt werden oder was können wir dagegen unternehmen. Gespräche mit den Besitzer führen zu nichts.

Silvia Meister: Man kann nicht dazu verpflichtet werden, die invasiven Neophyten zu entfernen. Sie können sich auf der Internetseite infoflora.ch darüber informieren, welche der Neophyten invasiv sind oder nicht. Das Wegschneiden der Blüten und unreifen Samenstände bei invasiven Neophyten ist eine Empfehlung aber nicht eine Pflicht. Bei den invasiven Neophyten auf der Umgangsverbotliste der angepassten Freisetzungsverordnung dürfen die Pflanzen nicht gepflegt werden – nur die Bekämpfung ist erlaubt. Bei den invasiven Neophyten auf der Liste des Inverkehrbringungsverbots ist das Pflegen erlaubt. Auch dürfen Gärtnereien weiterhin die Chinesische Hanfpalme für ihre Kunden überwintern – sie muss jedoch an dieselbe Person zurückgegeben werden, welche sie gebracht hat.

Gehören Photinia Fraseri Pink Marble zu den Neophyten?

Sara Stolz: Ja, die Photinia fraseri stammt aus Asien und ist somit ein Neophyt (eine Pflanze die nach 1500 in die Schweiz eingeführt wurde). Momentan ist sie kein Invasiver Neophyt, das bedeutet, sie verbreitet sich nicht unkontrolliert in der freien Natur. Oft wird sie als Ersatz für Kirschlorbeer angeschaut. Sie sind etwas frostempfindlich in windigen Lagen. Wenn Sie sich überlegen, ein neues Gehölz in den Garten zu pflanzen, schauen Sie sich doch auch noch bei den einheimischen Gehölzen um. Diese bieten als Zusatznutzen auch noch Nahrungsgrundlage für unsere einheimischen Insekten, welche wiederum Nahrungsgrundlage für unsere einheimischen Vögel sind. Vorschläge: Berberis vulgaris / Berberitze (sehr hübsche Blütentrauben mit feinem Duft, rote Beeren gekocht essbar, tolle Herbstfärbung, super Gehölz für viele Tiere). Cornus mas / Tierlibaum (tolle gelbe Blüte früh im Jahr, rote Beeren gekocht essbar, tolle Herbstfärbung, super Gehölz für viele Tiere, kann gut geschnitten werden). Crataegus monogyna / eingriffliger Weissdorn ( schöne weisse Blüten, Beeren für Vögel, Insektenmagnet während der Blütezeit, schöne Herbstfärbung, kann gut geschnitten werden) dies nur als kleine Auswahl, es gibt noch viele mehr.

Meine Nachbarn haben jedes Jahr eine grosse Fläche mit Topinambur im Garten und der wuchert wie verrückt. Ist das gestattet?

Sara Stolz: Ja, Topinambur, Lateinisch Helianthus tuberosus, ist zwar eine exotische Pflanze mit invasivem Potential, aber er ist (noch) nicht auf der Liste mit invasiven Pflanzen. Desshalb gibt es kein Gesetz, das den Nachbarn dazu verpflichtet diese Pflanze zu entfernen. Allerdings hat er durchaus invasives Potenzial. Er verdrängt durch sein massives Wachstum alle anderen Pflanzen und das Klima hier gefällt Ihm ganz gut. Aus diesem Grund sollte er so behandelt werden, dass er nicht ausserhalb des eigenen Gartens wachsen kann. Also die Bildung von Samen verhindern / die Blüten nach dem Verblühen abschneiden. Und am wichtigsten: die Verbreitung über die Wurzeln / Knollen unbedingt verhindern, da diese sehr wüchsig sind und schon aus einem kleine Stück wieder austreiben können. Wenn er also ausgerissen wird, müssen auch die Knollen ausgegraben und entsorgt werden. Falls der Nachbar die Topinambur nicht zur Ernährung braucht sondern als Sichtschutz benötigt oder wegen der schönen Blüten hat, könnten Folgende Pflanzen ein guter Ersatz sein: Gehölze: Cornus mas / Tierlibaum Salix aurita / Ohrweide Genista tinctoria / Färberginster Stauden: Eupatorium cannabinum / Wasserdost Verbascum nigrum / Königskerze Pastinaca sativa / Pastinake.

Es war die Rede vom einjährigen Berufkraut. Ich möchte ich fragen, wie es mit dem kanadischen Berufkraut gehandhabt wird. Ist es nun auch auf der sogenannten «schwarzen Liste»? Es verbreitet sich massiv von Jahr zu Jahr an allen Standorten. Und viele kennen es nicht und denken wohl, es sei gut für die Insekten.

Sara Stolz: Kanadisches Berufskraut: Conyza canadensis, ist dem einjährigen Berufskraut Erigeron annuus gleichzusetzen. Das sollte auch entfernt werden.

Müssen Waldbesitzer Neophyten (für die, die vorgeschrieben sind) in ihrem Wald entfernen wie privat Haus-Besitzer in ihren Gärten auch? Wenn nein, woher kommt die unterschiedliche Behandlung und warum macht das Sinn?

Silvia Meister: Grundsätzlich sind Privatpersonen nicht verpflichtet invasive Neophyten aus ihrem Privatgrundstück zu entfernen – auch nicht in privaten Waldstücken – jedoch ist dies auch kantonal geregelt, eine Nachfrage bei der Gemeinde lohnt sich deshalb!

Landauf landab wird schon seit Jahren von den Neophyten gesprochen. Aber so eine richtig gross angelegte Bereinigung findet nirgends statt. So blühen, und vorallem verblühen/versamen, jedes Jahr mehr dieser Sträucher. Wenn man mit dem Zug irgendwohin fährt blühen links und rechts der Gleise Goldruten. Hier fühlt sich offenbar niemand zuständig. An den Bächen und in den Deponien erfreut der Sommerflieder zwar wegen den Farben, danach sieht er nicht mehr schön aus und tausende von Samen machen sich auf den Weg, auch einmal gross und blühend zu werden. Auf Anfrage bei der Gemeinde Glarus erhielt ich zur Antwort, dass man schaue, dass sich die Neophyten nicht weiter vermehren. Wunschdenken oder realitätsfremd, dachte ich mir.

Silvia Meister: Schritt für Schritt kommt es schon mit der Bekämpfung der invasiven Neophyten, es braucht Zeit und Wissen – das braucht Zeit bei Gemeindemitarbeiter*innen und Privatpersonen!

Ich reisse regelmässig das einjährige Berufkraut in meiner Umgebung aus, komme mir aber dabei etwas «blöd» vor, weil ich immer wieder riesige Flächen entdecke, die damit überwuchert sind und unmöglich von einer Privatperson entfernt werden können. Gibt es denn kein Gesetz, welches die Gemeinden-Werkhöfe verpflichtet, grossflächigen Neophyten-Befall zu entfernen?

Jochen Elbs-Glatz: Zuvorderst herzlichen Dank für ihr Engagement. Ich hoffe, dass Sie sich auf Erigeron annuus, das Einjährige, unverzweigte Berufskraut stürzen. Alle anderen ca. 200 Arten Erigeron sind keine invasiven Neophyten. Ausrupfen ist eine sichere Methode, Mähen tut's bei grösseren Beständen auch. Die Gemeinden haben oft noch nicht das rechte Bewusstsein und die Werkhöfe sind alle mit Arbeit überhäuft.

Seit der Eiszeit sind alle unsere Pflanzen in der Schweiz, mit ganz wenigen Ausnahmenmehr, mehr oder weniger Neophyten. Warum dieser Kampf gegen Wärme liebende Pflanzen, wie z.B. Lorbeer? Lorbeer ist nicht nur schön im Sommer, nein auch im Winter. Lorbeer ist sehr resistent gegen Temperaturschwankungen und Trockenheit, passt sich bestens dem Klimawandel an! Lorbeer ist, wie meine langjährigen Beobachtungen zeigen, ein ausgezeichneter Futterlieferant, für insbesondere Amseln. Zudem bauen eine Reihe von Vögel gerne ihre Nester in Lorbeersträucher. Wir hatten eine riesigen Garten mit grossen Lorbeerhecken, habe aber in diesen 75 Jahren kaum eine invasive Ausbreitung erlebt! Lasst den Lorbeer leben! In 50 Jahren sind wir vielleicht sehr froh um diese überlebende, klimawandelresistente Pflanze.

Jochen Elbs-Glatz: Neophyten sind per Definition alle Pflanzen, die seit 1492 eingeführt wurden. Das gilt weltweit. In Amerika nennt man den Breitwegerich, der vorher nicht da war, die «Fussstapfen des weissen Mannes. Unbestritten ist der Kirschlorbeer eine schöne Gartenpflanze. Das Problem liegt in seiner unkontrollierten Ausbreitung im Wald, wo er den Aufwuchs von Jungholz verhindert. Vektor sind dabei die beerenfressenden Vögel, die die Samen gut bedüngt im Wald ablegen. Schneiden Sie den Kirschlorbeer im zeitigen Frühjahr, damit er nicht blüht und alles ist in Ordnung.

Ich schneide bei meiner „Noch“-Kirschloorbeerhecke jeweils alle Blütenrispen ab, sodass sich gar nicht erst eine Kirsche bilden kann. Kann man so etwas zur Nichtverbreitung beitragen, bzw. das Gewissen etwas beruhigen? In naher Zukunft werde ich die Hecke mit einheimischen Sträuchern ersetzen.

Sara Stolz: Ja, das ist eine wirksame Massnahme, um die Weiterverbreitung der Pflanze zu verhindern.

Gibt es verschiedene Arten von Kirschlorbeer? Werden alle verboten oder einzelne Typen?

Sara Stolz: Der Kirschlorbeer, auf Lateinisch Prunus laurocerasus gibt es nur einmal, allenfalls noch in Sorten. Ja diese werden alle verboten. Von der Gattung Prunus gibt es noch viele weitere Pflanzen, einheimische und auch exotische. Diese sind vom Verbot nicht tangiert.

Ist der runzelblätterige Schneeball ein Neophyt und muss er entpfernt werden?

Silvia Meister: Der Runzelblättrige Schneeball (Viburnum rhytidophyllum) gehört zu den potenziell invasiven Neophyten, das heisst er steht unter Beobachtung und könnte sich zu einem invasiven Neophyten entwickeln. Für die Biodiversität ist es nur von Vorteil, wenn er mitsamt den Wurzeln herausgenommen wird und an einem feuchten Standort mit dem Gewöhnlichen Schneeball (Viburnum opulus) oder an einem trockenen Standort mit dem Wolligen Schneeball (Vibrurnum lantana) ersetzt wird.

Den Versuch Neophyten loszuwerden kann doch gar nicht funktionieren. Das ist der Versuch, die Pandora-Box zu schliessen. Da auch die Klimaänderungen den einheimischen Pflanzen und Tieren das Leben schwer machen, müssen wir uns doch wohl oder übel mit neuen Tieren und Pflanzenarten abfinden, die sich bei uns wohlfühlen. Eigentlich ist das schon immer passiert, seit Menschen reisen. Jeder Garten hat nicht einheimische Pflanzen schon jetzt, z.B. Acer japonicum / Acer palmatum. Oder sogar Ginkgo Bäume, usw.

Jochen Elbs-Glatz: Wie immer gibt es zwei extreme Positionen und dazwischen Kompromiss und Konsens. Totale Ausrottung ist nicht möglich, aber das totale Laissez faire birgt auch nicht reine Seligkeit. Die Pflanzenbestände verändern sich, wir müssen das regelnd begleiten.

Was kann/muss ich gegen Neophyten machen.

Silvia Meister: Ganz wichtig ist ein Grundwissen über die Neophyten: Neophyten sind exotische Pflanzen, welche nach der Entdeckung Amerikas (nach 1500) in die Schweiz eingeführt oder eingeschleppt wurden und verwilderten: das heisst: sie überleben in der Natur ohne die Hilfe des Menschen. Zurzeit gibt es in der Schweiz circa 750 Neophyten, der grösste Teil hat sich gut integriert ....jedoch circa 88 Arten sind invasive Neophyten, das heisst, sie breiten sich sehr schnell aus und verdrängen die heimische Flora oder sind eine Gefahr für den Menschen oder die Landwirtschaft. Sie finden Listen zu den invasiven Neophyten auf infoflora.ch .

Um unser Haus verbreitet sich das einjährige Berufkraut, jedes Jahr reisse ich es aus. mittlerweile habe ich das Gefühl, dass dies nichts mehr bringt, da es sich bereits im Wald und überall verbreitet. Soll ich mir überhaupt noch die Mühe machen?

Silvia Meister: Ja, unbedingt! Da sie so viele Samen produziert und diese sehr lange keimfähig bleiben tauchen sie immer wieder auf. Wichtig wäre es, nach dem Ausreissen einige Samen einheimischer Stauden einzusäen, sodass der Platz besetzt wird. Vielleicht könnten Sie mit ihrer Gemeinde Kontakt aufnehmen und nachfragen – welche sinnvoll wären und wo sie bezogen werden kann.

Warum werden Wildrosen (rosa rugosa) zu den Neophyten gezählt?

Silvia Meister: Die Kartoffelrose ist eine Wildrose aus Kamtschatka und nicht eine heimische Wildrose. In der Schweiz haben wir 33 Wildrosenarten, wie zum Beispiel die Zimtrose (Rosa majalis) – dies ist ein guter Ersatz für die Kartoffelrose.

Unser Problem sind Robinien. 9 Mutterpflanzen haben wir bereits 'geringelt'. Wie werden wir die Wurzelbrut los (ca. 200 Triebe), ohne dass wir das gesamte Wurzelwerk ausbuddeln müssen? Um alle Wurzeln zu erwischen, müsste der gesamte Hang umgegraben werden, was ein nicht zu bewältigender Aufwand wäre.

Silvia Meister: Die Stockausschläge und die Wurzelbrut der Robinien wird 2mal pro Jahr zurückgeschnitten, einmal im Juni und einmal im September/Oktober nach drei Jahren sind sie so geschwächt, dass sie nicht mehr auftauchen.

Treffpunkt, 30.8.2024, 10:00 Uhr ; 

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