«Bärndütsch isch wie Musig: Langi Vokäl, schöni Diphtong», schwärmt der Bündner Bühnenkünstler Flurin Caviezel. Solche Dialektstereotypen gibt es seit langem.
Ein Dr. Bachmann aus Belp schreibt 1809 von der «geschmeidigen Weichlichkeit» des Berndeutschen – im Gegensatz etwa zum Zürcher Dialekt, der «tonlos und trocken» klinge.
Dagegen hat der Linguist Adrian Leemann jüngst in einer Forschungsarbeit zeigen können, dass Londoner und Pariser Studierende, die gar kein Deutsch verstehen, Sätze im Thurgauer Dialekt im Schnitt genauso schön finden wie Sätze auf Berndeutsch. Am Klang der Sprache kann unser Bern-Hype also nicht liegen. Aber woran sonst?
Tradition oder: Erfolg kommt vom Erfolg!
Berndeutsche Heimatliteratur gab es schon im 19. Jahrhundert. Im frühen 20. Jahrhundert zementierten die grossen Romane eines Rudolf von Tavel oder Simon Gfeller den Ruf des «Bärndütsch» als Literatursprache.
Richtige Gassenfeger waren dann in der Nachkriegszeit die Gotthelf-Hörspiele, die Ernst Balzli fürs Radio auf Berndeutsch herausbrachte. Danach folgten die Chansons von Mani Matter, die experimentellen Gedichte von Kurt Marti, mit Polo Hofer der Mundartrock, später die Spoken Word-Szene mit Bühnenliteraten wie Pedro Lenz, schliesslich der Mundartrap - Baze, Steff La Cheffe oder Lo & Leduc.
Mundartkultur gab und gibt es in allen Dialekten. Aber eine derart dichte und ununterbrochene Tradition existiert nur im Raum Bern.
Weil Bern so gross ist!
Nein: Die Grösse des Berner Sprachraums kann kein Grund für diesen anhaltenden Erfolg sein, denn Zürich ist grösser. Aber die Berner Mentalität spielt eine Rolle.
«Bern ist eine kleine Stadt, die gerne bedeutungsvoller wäre», sagt der Berner Kabarettist Bänz Friedli, «drum müssen sich die Berner im dunklen Wald laut vorsingen, wie schön ihre Stadt ist.» Wohl auch deshalb gibt es so viele selbsternannte Dialektpolizisten, die streng auf die korrekte Form «zwe Manne, zwo Froue, zwoi Ching» und Ähnliches achten. Man pflegt sein «Bärndütsch» mit einer gewissen Penetranz.
Englische Ausdrücke, eigenartige Pluralformen oder Germanismen: Der schöne Schweizer Dialekt geht bachab. Wie schlimm steht es um unsere Sprache? Nadia Zollinger ist besorgt, doch SRF-Dialektforscher Markus Gasser sieht die ganze Sache lockerer.
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Geschäftsmodell Mundartmusik
Schliesslich scheinen die Berner besonders geschäftstüchtig zu sein in Sachen Mundartkultur, meint Bänz Friedli. Polo Hofer zum Beispiel hat den Mundartrock nicht erfunden.
Der Zürcher Sänger Toni Vescoli hat ihn darauf gebracht. Aber Hofer wusste genau, was er wollte: Weg vom Chanson und den amerikanischen Rock ins Berndeutsche transferieren. Dafür existierte in Bern dank Plattenlabels, Verlagen, Studios und Auftrittsorten schon damals eine gute Infrastruktur.
Dass Berndeutsch zum Leitdialekt der Deutschschweiz geworden ist, hat also viele Gründe. Der Hauptgrund jedoch ist eine Art «selbsterfüllende Prophezeiung»: Berndeutsch ist so schön, weil alle wollen, dass es schön und besonders geeignet für Mundartkultur ist.