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Volksetymologie
Aus Dini Mundart vom 11.05.2023.
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Volksetymologie «Nicht mein Rechaud»: Frömdwörter sy Glückssach

Fremdwörter werden gerne mal falsch oder gar nicht verstanden. Das führt zu Volksetymologien wie «Hängematte» und zu Malapropismen wie «Syphilisarbeit».

Besonders bekannt für ihre Mühe im Umgang mit Worten sind Fussballspieler und -trainer. Von Lothar Matthäus ist etwa der Satz überliefert: «Wir sind eine gut intrigierte Truppe.» Oder von Michael Skibbe: «Ich bin immer offen für Kritik. Nur: Sie muss konstruktivistisch sein.»

Fremdwörter sind besonders anfällig dafür, verwechselt zu werden, weil sie vielen Leuten nicht geläufig sind. In Anlehnung an Mani Matter könnte man sagen: «Frömdwörter sy Glückssach.»

Lothar Mätthaus mit Ottmar Hitzfeld
Legende: Lothar Matthäus (links) mit Ottmar Hitzfeld Reuters / Oleg Popov

Auch Redewendungen betroffen

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Redewendungen werden immer wieder kreativ zusammengestellt. Ottmar Hitzfeld: «Er kam in die Kabine und hat der Mannschaft mal so richtig die Leviten geblasen.» Oliver Kahn: «Die Karten sind neu gewürfelt

Aber auch deutsche Erbwörter sind nicht davor gefeit, falsch verwendet zu werden: Auf die Frage, ob er bedrückt sei, sagte «Bachelor» Erkan Akyol 2021 im Reality-TV, er sei «bedenklich».

Malapropismen

Solche Ersetzungen durch ähnlich klingende Wörter werden Malapropismen genannt.

Mrs. Malaprop

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Der Begriff «Malapropismus» geht auf die Figur der Mrs. Malaprop aus dem Stück The Rivals von Richard Brinsley Sheridan aus dem Jahr 1775. Mrs. Malaprop verwendet viele lange, komplizierte Wörter um gebildet zu wirken, gebraucht sie aber ständig falsch. Ihr Name ist von französisch «mal à propos» 'zur Unzeit' abgeleitet.

Manchmal passieren Malapropismen aus Mangel an Sprachbeherrschung. Aber meistens handelt es sich um absichtliche Wortspiele. Statt von der «Koryphäe» spricht man von der «Konifere ihres Fachs»; statt von der «Sisyphusarbeit» von der «Syphilisarbeit». Das ist lustig – jedenfalls für diejenigen, die den absichtlichen Fehler bemerken.

In der Deutschschweiz besonders weit verbreitet ist der Ausspruch: «Das isch nid mis Rechaud.» Natürlich ist das «Ressort» gemeint, der Fachbereich.

Fremdwörter sind schon ewig eine Glückssache

Fremdwörter und andere Wörter, die nicht (mehr) inhaltlich verständlich sind, machen den Sprechenden schon seit Jahrhunderten Mühe. Und was nicht mehr verstanden wird, wird gerne an Bekanntes angelehnt.

So hat das Wort «Hängematte» ursprünglich nichts mit «hängen» oder einer Matte zu tun. Es stammt aus der haitianischen Sprache Taíno und lautete «hamáka». In der deutschen Sprache tauchte das Wort erstmals im Jahr 1529 als «Hamaco» und «Hamach» auf. Im 17. Jahrhundert wurde das für deutsche Ohren und Augen merkwürdige Wort zu «Hängematte» umgedeutet – vermutlich nach niederländischem Vorbild («hangmat»).

Wenn «Fehler» zur neuen Regel werden

Diese Angleichung von nicht (mehr) verstandenen Wörtern oder Wortteilen an bekannte Wörter wird «Volksetymologie» genannt – das sprachwissenschaftlich «ungebildete» Volk verändert die Wörter und ignoriert dabei die Etymologie, also die Herkunft des Wortes, so die Überlegung hinter dem Begriff. Da aber das «Volk» deutlich zahlreicher ist als die Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler, setzt es sich meistens durch.

Etwa beim Tiernamen «Vielfrass»: Dieser ist ursprünglich norwegisch – «fjeldfross» bedeutet 'Bergkater'. Hanseatische Pelzhändler trafen im ausgehenden Mittelalter auf das Tier und brachten den Namen «fjeldfross» mit der Bezeichnung «Vielfrass» für einen gefrässigen Menschen in Verbindung. Seither wird das Tier im Deutschen «Vielfrass» genannt. Das Gerücht der angeblichen Gefrässigkeit dieser Marderart entstand erst danach – und ist falsch.

Ein Vielfrass schaut in die Kamera
Legende: So sieht der oben erwähnte Vielfrass aus Keystone / Martin Meissner

Das Murmeltier ist eine Bergmaus

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Auch das Murmeltier heisst nicht so, weil es «murmelt». Am Ursprung steht der lateinische Name «mus montanus» 'Bergmaus'. Im frühen Rätoromanischen entwickelte sich dieses Wort zu «murmontin», das so bereits vor über 1000 Jahren ins Deutsche entlehnt wurde. Im 14. Jahrhundert glich man das unverständliche Wort dann an «murmeln» und «Tier» an.

Volksetymologien sind nichts Schlimmes

Dass volksetymologisch veränderte Wörter inhaltlich nicht mehr stimmen, mag Sprachwissenschaftler und Sprachwissenschaftlerinnen stören. Für die Sprechenden ist offenbar wichtiger, dass sie sich unter einem Wort etwas Konkretes vorstellen können.

Aufregung ist hier also fehl am Platz und wir müssten vehement widersprechen, wenn Bruno Labbadia behaupten würde, das werde «alles von den Medien hochsterilisiert

Radio SRF 1, «Dini Mundart», 12.05.2023, 09:40 Uhr

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