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Wörter des Jahres zeigen die aktuelle Befindlichkeit
Aus HeuteMorgen vom 28.11.2023. Bild: srf
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Vor «Chatbot» und «Ghosting» «Monsterbank» ist Schweizer Wort des Jahres 2023

Die Fusion von UBS und CS liefert das Wort des Jahres 2023. «Chatbot» und «Ghosting» schaffen es ebenfalls in die Top 3. Eine überraschende Wahl – brisante Themen wie Lebenshaltungskosten, Klima oder Missbrauchsskandale fehlen.

Mit «Monsterbank» hat die Deutschschweizer «Wort des Jahres»-Jury einen Begriff gekürt, der seit März von vielen Medien, aber auch von politischen Parteien immer wieder verwendet wird.

Zum einen drückt «Monsterbank» Ehrfurcht vor dem Grossunternehmen aus, die aus der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS entstanden ist. Zum anderen steckt darin auch die Kritik, dass die neue Bank durch ihre Grösse eine Gefahr für die Schweiz darstellen könnte.

Zwei Anglizismen auf Platz zwei und drei

Auf den zweiten Platz hat die Jury «Chatbot» gesetzt. Das Wort stammt aus dem Englischen und bezeichnet Sprachroboter, die mithilfe von künstlicher Intelligenz Sprache verarbeiten. Einige Chatbots wie der 2023 berühmt gewordene «ChatGPT» können auch selber Texte generieren.

«Wort des Jahres»: So funktioniert die Wahl

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Das Wort des Jahres gibt es in der Deutschschweiz seit 2003. Bis 2016 wurde es vom «Büro Wort des Jahres» bestimmt. Seit 2017 ermittelt die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) das Wort des Jahres.

Welche Wörter kommen in Frage?

Sprachforscherinnen und Sprachforscher des Departements Angewandte Linguistik der ZHAW erstellen eine Liste mit einigen Dutzend Wortkandidaten. Grundlage für diese Liste sind erstens die Analyse des Textkorpus «Swiss-AL», eine Sammlung von digitalen Texten mit knapp einer Milliarde Wörtern; zweitens Einsendungen aus der Bevölkerung und drittens Vorschläge der Jury-Mitglieder. Die Jury besteht aus Sprachprofis aus Journalismus, Kunst und Wissenschaft.

Wer wählt die Siegerwörter aus?

Die Jury wählt unter Berücksichtigung der ihr vorgelegten «Longlist» die drei Siegerwörter. Dabei sollen sie darauf achten, dass die Wörter Themen widerspiegeln, welche in der Deutschschweiz im ablaufenden Jahr zu reden gegeben haben. Auch die Wörter selber sollen einen Schweizbezug haben. Dasselbe Prozedere wird parallel in allen Landessprachen mit je eigener Jury durchgeführt.

Ebenfalls aus dem Englischen entlehnt ist das dritte Deutschschweizer Wort des Jahres: «Ghosting» kennen wir bereits seit einigen Jahren für einen wortlosen Kontaktabbrucht beim Dating. Neu ist, dass «Ghosting» auch in anderen Bereichen für stillschweigende Kontaktabbrüche verwendet wird - «etwa wenn sich Stellenbewerbende ohne Begründung nicht mehr melden oder wenn Bekannte den Kontakt unvermittelt abbrechen», so die Jury.

Der Schweiz-Bezug fehlt...

Dass die viel diskutierte und umstrittene Übernahme der Credit Suisse durch die UBS im Wort des Jahres 2023 Niederschlag findet, überrascht nicht. Merkwürdiger ist die Wahl der Wörter auf den Plätzen zwei und drei.

Französisch: Trümmer, KI, Gesundheitskosten

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1. Platz: décombres (Schutt, Trümmer)

«décombres» beschreibt gemäss der Jury eine Welt, die «auf verschiedenen Ebenen in sich zusammenbricht», sowohl wörtlich nach Erdbeben (Syrien/Türkei, Afghanistan) und in verschiedenen Kriegen als auch im übertragenen Sinn mit dem bröckelnden Einfluss der westlichen Welt.

2. Platz: intelligence artificielle (künstliche Intelligenz)

Seit der Publikation von ChatGPT Ende 2022 habe die künstliche Intelligenz die Debatten in den Medien und in der Bevölkerung dominiert, schreibt die Jury. Betroffen seien viele Bereiche wie Journalismus, Bildungssektor, Übersetzung oder Kunst.

3. Platz: coûts de la santé (Gesundheitskosten)

Die Gesundheitskosten seien in der Romandie eines der wichtigsten politischen Themen gewesen, schreibt die Jury. Nicht nur die starken Prämienerhöhungen würden die Frage aufwerfen, «wie viel unsere Gesellschaft für das Gesundheitswesen zu bezahlen bereit sei».

Weder «Chatbot» noch «Ghosting» haben den von der Jury selber vorgegebenen Schweizbezug: Sowohl künstliche Intelligenz als auch veränderte Kommunikationsgewohnheiten sind globale Themen. Zudem verwendet man die Wörter «Chatbot» und «Ghosting» im gesamten deutschsprachigen und auch im englischsprachigen Raum.

...genauso wie wichtige Themen

Zwar gab es dieses Jahr nicht DAS Thema, wie in den letzten Jahren Klima, Corona-Pandemie und Ukrainekrieg. Trotzdem fehlen in der diesjährigen Auswahl vieldiskutierte Schweizer Themen, so etwa die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche und verschiedenen Sportorganisationen oder die gestiegenen Lebenshaltungskosten («Prämienschock», «Mietzinserhöhung», «Wohnungsmangel»).

Italienisch: Chatbots, Nord-Süd-Verbindungen, Klimaangst

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1. Platz: GPT (Generative Pre-trained Transformer)

GPT ist ein Fachterminus für Sprachroboter wie ChatGPT. Diese «verändern gerade die Art und Weise, wie wir mit Technologie interagieren» und «haben künstliche Intelligenz zu einem Teil unseres Alltags werden lassen», schreibt die Jury dazu.

2. Platz: tunnel

Das typisch tessinerische Wort «tunnel» wird laut der Jury vor allem im Zusammenhang mit den Strassen- und Eisenbahntunneln am Gotthard verwendet (sonst werden Tunnel «galleria» genannt). Diese gaben 2023 wegen mehrerer Unfälle und damit verbundenen langen Schliessungen viel zu reden.

3. Platz: ecoansia (Klimaangst)

«Ecoansia» kam gemäss Jury erst dieses Jahr in die italienische Sprache. Das Wort bezeichne «ein wachsendes Gefühl der Sorge gegenüber dem Klimawandel».

Auch Wörter im Zusammenhang mit der Klimakrise wie «Wärmerekorde», «Gletscherschmelze» oder «Klimakleber», die dieses Jahr besonders präsent waren, hätten eine Wahl verdient. Und auch der Ausdruck «Rechtsrütschli» (die Wort-Korrektur der Medien nach der Prozentzahlen-Korrektur des Bundesamts für Statistik) wäre inhaltlich und sprachlich interessant.

Positives Beispiel Rätoromanisch

Ganz anders die rätoromanischsprachige Jury: Ihre diesjährigen drei Wörter des Jahres – «Solarexpress», «igl Rutsch» und «regulaziun proactiva» – nehmen alle Bezug auf ein Thema, das dieses Jahr in der Rumantschia für Debatten gesorgt hat.

Rätoromanisch: Solarenergie, Bergrutsch, Wolf

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Platz 1: Solarexpress

Der im Frühling vom Bundesrat initiierte Ausbau der Sonnenenergie, «Solarexpress» genannt, betrifft die Rumantschia insofern besonders, dass er grosse Photovoltaikanlagen in den Bergen erleichtert. Diese Grossprojekte würden kontrovers und emotional diskutiert, schreibt die Jury.

Platz 2: igl Rutsch (der Rutsch)

In Brienz/Brinzauls rutschte der Berg 2023 so stark, dass die Bevölkerung des Dorfs zeitweise evakuiert werden musste. Die ansässige Bevölkerung verwende für das Rutschgebiet bereits seit zwanzig Jahren das deutsche Lehnwort «igl Rutsch». Dieses sei durch die Medienberichterstattung in der ganzen Rumantschia bekannt geworden.

Platz 3: regulaziun proactiva (proaktive Regulierung)

Ab dem 1. Dezember dürfen in der Schweiz neu bestimmte Wolfsrudel abgeschossen werden, ohne dass sie vorher ein problematisches Verhalten gegenüber Menschen oder Nutziere gezeigt hätten. Ein Grossteil dieser Wolfsrudel befindet sich im Kanton Graubünden, weshalb die neue Regelung dort besonders zu Reden gibt.

Und sie sind auch sprachlich interessant: zwei Wortkreationen aus der Politik- und Verwaltungssprache sowie eine Entlehnung aus dem Deutschen. An dieser Auswahl dürfen sich die Jurys der drei anderen Landessprachen 2024 gerne orientieren.

Deutschschweizer «Wort des Jahres» 2003 bis 2022

1. Platz 2. Platz 3. Platz
2022 Strommangellage Frauen-Ticket Schutzstatus S
2021 Impfdurchbruch Starkregen entfreunden
2020 systemrelevant Maskensünder stosslüften
2019 Klimajugend OK Boomer Flugscham
2018 Doppeladler Rahmenabkommen 079
2017 #metoo weglachen Influencer
2016 Filterblase
2015 Einkaufstourist
2014 # (Hashtag)
2013 Stellwerkstörung
2012 Shitstorm
2011 Euro-Rabatt
2010 Ausschaffung
2009 Minarettverbot
2008 Rettungspaket
2007 Sterbetourismus
2006 Rauchverbot
2005 Aldisierung
2004 meh Dräck
2003 Konkordanz

SRF 4 News, 28.11.2023, 06:00 Uhr

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