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Perlen aus dem SRF-Archiv Warum lachen wir über die alten TV-Beiträge?

«Es ist wichtig, dass wir Menschen uns selber nicht immer ganz ernst nehmen», sagt Humorforscherin Jennifer Hofmann. Dazu gehört auch, dass wir über alte TV-Beiträge lachen können, die ernste Themen behandeln.

Das Neue von damals

Früher hatten sie keine Ahnung!

Manch ein Beitrag aus dem SRF-Archiv wirkt heute unfreiwillig komisch. Zum Beispiel ein Video mit Verhaltensregeln für die Autobahn, ein «10vor10»-Beitrag über die Einführung von Windows 95 oder das Porträt eines Lastwagenchauffeurs. Wir lachen über das, worüber damals im vollen Ernst berichtet wurde – wie kommt das?

Wir fühlen uns gerne überlegen. Wir lachen über Dinge, die uns besser, gescheiter machen als andere. Zum Beispiel über die doofen Autofahrer von damals.
Autor: Jennifer Hofmann Humorforscherin

«Humor entsteht dann, wenn mit unseren Erwartungen an die Welt gebrochen wird», sagt Jennifer Hofmann, Psychologin und Humorforscherin an der Universität Zürich. Und die Welt von früher ist halt eben sehr anders, als wir sie heute kennen – andere Mode, andere Sprache, anderer Stand der Technik. Das hat einen gewissen Verfremdungseffekt. «Ausserdem birgt das, was in unserem Alltag sehr präsent ist, mehr Unterhaltungspotenzial als das, was uns nicht so nahe steht.» Autobahnen, Computer, Internet – alles Dinge, die heute allgegenwärtig sind.

Das digitale SRF-Archiv: Fakten & Zahlen

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  • Beinhaltet digitalisierte Radio- und Fernsehsendungen seit Anfang der 1930er-Jahre (Radio) und den 1950er-Jahre (TV).
  • Mit den Beständen von SRF, RTR, Bundeshausstudio und dem SWI-Archiv liegen digital rund 5 Mio. GB an Video- und Audio-Files vor (insgesamt rund 1,6 Mio. Files).
  • Würde man das Archiv auf CDs kopieren, gäbe das einen Turm von rund 50 Kilometern CDs.
  • Um das alles anzuschauen oder anzuhören, bräuchte man rund 100 Jahre (24 Stunden am Tag).
  • Auf Play SRF sind bereits 900'000 Elemente durchsuchbar und können direkt angehört oder angeschaut werden. Darunter z.B. die «Tagesschau» seit 1991 (rund 130'000 Beiträge) oder 2000 «Persönlich»-Sendungen seit 1976.
  • Hier finden Sie zahlreiche Sendungen von früher, die heute nicht mehr im SRF-Programm sind.

Hinzu käme, dass wir uns auch gerne überlegen fühlen, so die Humorforscherin: «Wir lachen über Dinge, die uns besser, gescheiter machen als andere. Zum Beispiel über die doofen Autofahrer von damals.» Oder über jene, die 1995 noch nicht so viel Ahnung von Computern hatten. Je nach Alter gehörten wir damals sogar selber dazu. Distanz hilft, auch über sich selber zu lachen.

Dr. Jennifer Hofmann

Psychologin und Humorforscherin

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Jennifer Hofmann ist Psychologin an der Universität Zürich. Sie befasst sich seit zehn Jahren eingehend mit dem Humor. Für ihre Humorstudien greift die Forscherin – je nach Testpersonen – gerne auf altes SRF-Archivmaterial zurück: «Um jemanden zu erheitern ist es wichtig, die Leute in ihrer Lebenswelt abzuholen. Die Sendung ‹Teleboy› zum Beispiel ist jedem ab 40, 50 Jahren ein Begriff.»

Warum lachen auch Frauen über sexistische Videos?

Dank der zeitlichen Distanz können wir auch über andere Dinge lachen, die eigentlich nicht lustig sind. Zum Beispiel über das sexistische Video aus den 1960er-Jahren über Frauen im Autowaschkurs.

«Damals lachte wohl niemand über diesen Beitrag», sagt Hofmann. Vielen dürfte der sexistische Ton nicht aufgefallen sein, weil es in dieser Zeit normal war. Und Feministinnen dürften empört gewesen sein, schliesslich war das Thema aktuell und es gab keinen Grund zum Lachen. «Heute können wir den Beitrag nur ironisch auffassen, weil so eine Berichterstattung nicht mehr denkbar ist.»

Adam und Eva Chifler

Adam & Eva Chifler

Auch Komödiantisches aus dem Archiv bringt uns bis heute zum Lachen, etwa Adam und Eva Chifler. In den 1980er- und 1990er-Jahren begeisterten Walter Andreas Müller und Ursula Schäppi mit ihren Nummern in der Sendung «Traumpaar» das Schweizer TV-Publikum. Die alten Sketches werden auf der Facebookseite von Radio SRF 1 tausendfach gelikt, kommentiert und mit Freunden geteilt. Warum begeistern die Chiflers auch 30 Jahre später noch?

Witze über Geschlechterrollen sind zeitlos.
Autor: Jennifer Hofmann Humorforscherin

Die Übertreibung sei ein beliebtes Stilmittel, sagt Hofmann. «Ausserdem sind Witze über Geschlechterrollen zeitlos.» Humor halte uns den Spiegel vor. Wenn wir über Stereotypen und Geschlechterrollen lachen, setzen wir uns mit diesen Rollen auseinander – und haben uns vielleicht schon ein bisschen von ihnen gelöst. «Es ist wichtig», sagt die Humorforscherin, «dass wir Menschen uns selber nicht immer ganz ernst nehmen.»

Weitere Beispiele gefällig?

Weitere Beispiele

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