Das Neue von damals
Früher hatten sie keine Ahnung!
Manch ein Beitrag aus dem SRF-Archiv wirkt heute unfreiwillig komisch. Zum Beispiel ein Video mit Verhaltensregeln für die Autobahn, ein «10vor10»-Beitrag über die Einführung von Windows 95 oder das Porträt eines Lastwagenchauffeurs. Wir lachen über das, worüber damals im vollen Ernst berichtet wurde – wie kommt das?
Wir fühlen uns gerne überlegen. Wir lachen über Dinge, die uns besser, gescheiter machen als andere. Zum Beispiel über die doofen Autofahrer von damals.
«Humor entsteht dann, wenn mit unseren Erwartungen an die Welt gebrochen wird», sagt Jennifer Hofmann, Psychologin und Humorforscherin an der Universität Zürich. Und die Welt von früher ist halt eben sehr anders, als wir sie heute kennen – andere Mode, andere Sprache, anderer Stand der Technik. Das hat einen gewissen Verfremdungseffekt. «Ausserdem birgt das, was in unserem Alltag sehr präsent ist, mehr Unterhaltungspotenzial als das, was uns nicht so nahe steht.» Autobahnen, Computer, Internet – alles Dinge, die heute allgegenwärtig sind.
Hinzu käme, dass wir uns auch gerne überlegen fühlen, so die Humorforscherin: «Wir lachen über Dinge, die uns besser, gescheiter machen als andere. Zum Beispiel über die doofen Autofahrer von damals.» Oder über jene, die 1995 noch nicht so viel Ahnung von Computern hatten. Je nach Alter gehörten wir damals sogar selber dazu. Distanz hilft, auch über sich selber zu lachen.
Warum lachen auch Frauen über sexistische Videos?
Dank der zeitlichen Distanz können wir auch über andere Dinge lachen, die eigentlich nicht lustig sind. Zum Beispiel über das sexistische Video aus den 1960er-Jahren über Frauen im Autowaschkurs.
«Damals lachte wohl niemand über diesen Beitrag», sagt Hofmann. Vielen dürfte der sexistische Ton nicht aufgefallen sein, weil es in dieser Zeit normal war. Und Feministinnen dürften empört gewesen sein, schliesslich war das Thema aktuell und es gab keinen Grund zum Lachen. «Heute können wir den Beitrag nur ironisch auffassen, weil so eine Berichterstattung nicht mehr denkbar ist.»
Adam und Eva Chifler
Adam & Eva Chifler
Auch Komödiantisches aus dem Archiv bringt uns bis heute zum Lachen, etwa Adam und Eva Chifler. In den 1980er- und 1990er-Jahren begeisterten Walter Andreas Müller und Ursula Schäppi mit ihren Nummern in der Sendung «Traumpaar» das Schweizer TV-Publikum. Die alten Sketches werden auf der Facebookseite von Radio SRF 1 tausendfach gelikt, kommentiert und mit Freunden geteilt. Warum begeistern die Chiflers auch 30 Jahre später noch?
Witze über Geschlechterrollen sind zeitlos.
Die Übertreibung sei ein beliebtes Stilmittel, sagt Hofmann. «Ausserdem sind Witze über Geschlechterrollen zeitlos.» Humor halte uns den Spiegel vor. Wenn wir über Stereotypen und Geschlechterrollen lachen, setzen wir uns mit diesen Rollen auseinander – und haben uns vielleicht schon ein bisschen von ihnen gelöst. «Es ist wichtig», sagt die Humorforscherin, «dass wir Menschen uns selber nicht immer ganz ernst nehmen.»