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Präsidentschaftswahlen Wie das Wahlsystem in Russland (nicht) funktioniert

Eine Wahl, die eigentlich keine ist: die Präsidentschaftswahlen in Russland. Das russische Volk entscheidet vom 15. bis 17. März über die Zukunft des Landes. Der haushohe Favorit – und eigentlich bereits jetzt neue russische Präsident – ist der bisherige Präsident Wladimir Putin. Russland-Korrespondent Calum MacKenzie erklärt, wie der Kreml die Wahlen gezielt für seine Interessen manipuliert.

Calum MacKenzie

Russland-Korrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

Expertinnen und Experten sprechen von einer Scheinwahl. Wie läuft diese ab?

Vom 15. bis 17. März 2024 sind insgesamt mehr als 112 Millionen Menschen in Russland zur Stimmabgabe aufgerufen. Darunter auch mehrere Millionen Menschen in völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Gebieten. Die Wahlberechtigten «wählen» den Präsidenten direkt. Wenn im ersten Wahlgang kein Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen geholt hat, gibt es einen zweiten Wahlgang.

Aber man kann auch bei dieser Präsidentschaftswahl davon ausgehen, dass sie nicht frei und fair sein wird, weil es vor Ort keine Kontrolle durch unabhängige internationale Wahlbeobachter geben wird.

Wie wird gewählt?

Die Wahlberechtigten können während der drei Tage an die Urne gehen oder erstmals bei einer Präsidentschaftswahl auch online wählen. Diese Online-Stimmabgabe gilt als besonders anfällig für Manipulation. Bei den Lokalwahlen in Moskau konnte bereits online gewählt werden, da gab es ein paar nicht sehr glaubwürdige Resultate.

Doch auch bei der Wahl an der Urne kann manipuliert werden: In der Vergangenheit haben Leute teilweise zweimal gewählt.

Glaubt die Bevölkerung an das Wahlergebnis?

Es ist nicht so, dass die russischen Behörden einfach einen Stimmenanteil bestimmen, und dann sagen, Putin habe gewonnen. Das würden die Leute merken, weil es nicht mit ihrer Wahrnehmung übereinstimmt. Deshalb wollen die Behörden, dass das echte Resultat möglichst der Vorstellung der Bevölkerung entspricht.

Wie beeinflusst der Kreml die Wahlen?

Der Kreml kontrolliert ausserdem die Medienszene und berichtet konstant über Putin. Staatsangestellte und Angestellte von staatsnahen Betrieben werden «ermutigt», Putin wählen zu gehen. Es finden Events und Ausstellungen statt, die die Leute noch mehr von Putin überzeugen sollen. Aber vielleicht der wichtigste Faktor, warum man von einer Scheinwahl sprechen muss: Es gibt keine echten Alternativen zu Putin.

Warum gibt es keine Opposition?

Die «richtigen» Oppositionspolitiker wurden entweder von der Wahl ausgeschlossen, sind ins Ausland geflohen oder mittlerweile tot. Die zugelassenen Gegenkandidaten bilden wohl eher eine «Schein-Opposition». Deren Parteien sind im Parlament vertreten, stellen sich aber nur sehr selten gegen die Regierung. Ihre Kandidaten sagen offen, dass sie den Präsidenten nicht kritisieren wollen. Es sind auch keine ernstzunehmenden Kandidaten, weil sie keine Anziehungskraft im Volk haben.

Wofür stehen die verschiedenen Parteien in Russland?

Putins Partei Einiges Russland wirbt vor allem mit dem Präsidenten selbst. Sie existiert eigentlich nur als sein Vehikel. Putin verspricht, Russland technologisch weiterzuentwickeln und die Ukraine zu besiegen. Die Kommunisten sind nicht wirklich das, was sie einmal waren: Sie sind eine sehr sozial konservative, russisch-nationalistische Partei. Auch die sogenannten Liberaldemokraten sind eigentlich extreme Nationalisten. Die Partei Neue Leute ist wirtschaftsliberal und verlangt sogar «Friedensverhandlungen» mit dem Westen, sagen aber gleichzeitig, dass Russland keine Zugeständnisse machen dürfe.

Krieg in der Ukraine

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Radio SRF 1, Echo der Zeit, 13. März 2024, 18:00 Uhr

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